10 Dicembre 2017

Über gute Löhne zu schlankeren Sozialbudgets

Stefan Perini ("Wirtschaft Quer")

Im Idealzustand gestaltet sich das Lohngefüge so, dass soziale Transferleistungen gar nicht erst notwendig sind. Warum es in Südtirol Zeit ist, die Arbeitgeber in die Pflicht zu nehmen.

Der Titel allein sagt schon alles: „Die 50 reichsten Südtiroler – Ein Heft über Armut und Reichtum in Südtirol“, so das Cover der letzten Ausgabe der Wochenzeitschrift FF. Ja, es geht um die Verteilung des Wohlstands. Dabei ist es für die Forschung alles andere als leicht, Einkommen und besonders Vermögen in Zahlen zu fassen – zum Beispiel Vermögenswerte im Ausland oder Kunstgegenstände. Auch die Trennung von Betriebs- und Privatvermögen ist schwierig. So kommt es, dass man stets auf Stichprobenbefragungen zurückgreifen und auf Eigenangaben von Befragten angewiesen ist. Dennoch beobachtet die Wissenschaft, dass die Verteilung der Vermögen in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften ungleicher ist als jene der Einkommen. Das lässt sich nach heutigem Wissensstand auch auf Südtirol übertragen.

Lohngefüge, Transfersystem und soziale Mobilität bestimmen mit, wie stark wirtschaftliche Ungleichheit ausfällt. Im Idealzustand gestaltet sich das Lohngefüge so, dass man vom eigenen Lohn leben kann. Im Realzustand muss der Staat durch Transferleistungen „nachkorrigieren“. Will man sicherstellen, dass die Sozialbudgets nicht ausufern, muss man sich für Mindestlöhne und eine angemessene Lohndynamik starkmachen. In Südtirol bedeutet dies, die Arbeitgeber in die Pflicht zu nehmen, Reallöhne zu zahlen, die den Lebenshaltungskosten in Südtirol Rechnung tragen, welche nachweislich 20% über den gesamtstaatlichen liegen. Es kann nicht sein, dass über Lohnzurückhaltung die Verantwortung für die Verteilung des Wohlstands allein auf die öffentliche Hand abgeschoben wird.

„Die Senkung der IRAP sollte nur Unternehmen zukommen, die belegen, dass sie Löhne zahlen, die 20% über dem gesamtstaatlichen Niveau liegen“.

Dass es Überlegungen in diese Richtung gibt, wurde jüngst durch das Tagblatt der Südtiroler bekannt: Der Landesregierung schwebe vor, die IRAP-Senkung für Betriebe an die Verpflichtung zu koppeln, über Betriebsabkommen einen Teil des wirtschaftlichen Erfolgs an die Arbeitnehmer abzutreten. Die Stoßrichtung ist die richtige, sie könnte allerdings weniger schwammig formuliert sein: Die IRAP-Senkung erhalten nur jene Unternehmen, die belegen können, dass sie Löhne zahlen, die 20% über dem nationalen Kollektivvertrag liegen und dass sie ein Drittel des Gewinns als Betriebsprämien an die Belegschaft auszahlen.

Prima pubblicato in “Die Neue Südtiroler Tageszeitung”, edizione del 9 dicembre 2017

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