29. Oktober 2016

Das Schwungrad ist angestoßen

Stefan Perini ("Wirtschaft Quer")
pixabay

Für 40.000 öffentlich Bedienstete in Südtirol gibt es mehr Lohn. Vom 1. Juli 2016 an im Schnitt 40 € brutto und noch einmal 40 € brutto dazu ab 1. Mai 2017. Das ist in Wirklichkeit nicht viel, hat aber eine Signalfunktion: Die Sektoren der Privatwirtschaft müssen jetzt nachziehen.

Der wirtschaftliche Teil des neuen bereichsübergreifenden Kollektivvertrags im Öffentlichen Dienst ist unter Dach und Fach. Die Landesregierung hat am 25. Oktober die Ermächtigung zur definitiven Unterzeichnung des Vertrags erteilt. Der neue Kollektivvertrag betrifft die Landesverwaltung, den Sanitätsbetrieb, die Gemeinden, Altersheime, Bezirksgemeinschaften, Kurverwaltungen und das WOBI. Für den Dreijahreszeitraum 2016-2018 stellt die Landesregierung somit 125 Mio. € mehr an Gehalt zur Verfügung. Ein weiterer wirtschaftlicher Vorteil spielt jenen Bediensteten in die Hände, die um 1%  mehr in einen Zusatzrentenfond einzahlen. In diesem Fall wird der Arbeitgeber ebenfalls 1% zuschießen. Darüber hinaus soll ab 1.Jänner 2018 ein ergänzender Gesundheitsfonds eingerichtet werden.

Der große Wurf, anders als von Landesregierung und Gewerkschaften gefeiert, ist dieses neue Abkommen aus Arbeitnehmersicht nicht. Die Landesregierung hätte pro Jahr 167 Mio. € locker machen müssen, um die Löhne der Landesangestellten auf das heutige Niveau der Verbraucherpreise zu heben. Das hat das AFI schon vor den Lohnverhandlungen durchgerechnet. Der Hintergrund: Der Staat hatte die Beamtengehälter 2009 unbefristet eingefroren. Das erklärte der Rechnungshof im Juni 2015 als unzulässig. In diesem Zeitraum stieg die Inflation allerdings um 12,3%. Wie eine voll zufriedenstellende Lösung aus der Sicht der öffentlich Bediensteten ausgeschaut hätte? Inflationsausgleich für die gesamte Zeit des Lohnstopps und die Anhebung der einzelnen Gehaltsstufen im neuen BÜKV 2016-2018 nach dem aktuellen Index für Verbraucherpreise in Bozen. Allein die Anhebung wäre der Landesregierung im Dreijahreszeitraum 500 Mio. € zu stehen gekommen. Mit 125 Mio. € ist sie also verhältnismäßig glimpflich davongekommen. Außerdem hatte der Arbeitgeber einen Inflationsausgleich für die Vergangenheit schon a priori ausgeschlossen. Also wird die eingebüßte Kaufkraft der Angestellten nicht rückerstattet.

Doch abgesehen von all diesen Berechnungen hat der neue bereichsübergreifende Kollektivvertrag (BÜKV) eine wichtige Signalfunktion. Die Anhebung der Gehälter von 40.000 öffentlich Bediensteten verändert das Lohngefüge in Südtirol und steigert überdies die Attraktivität dieses Sektors, beides mit entsprechender Sogwirkung. Da am Arbeitsmarkt die Vollbeschäftigung wiederhergestellt ist, tun sich Unternehmer nun schwerer, geeignete Fachkräfte zu finden. Gute Unternehmen werden die eigenen Fachkräfte im Betrieb an sich zu binden wissen und werden sich auch noch die Besten vom leergefegten Arbeitsmarkt angeln. Das heißt, der Markt wird die Zahlungsbereitschaft der Unternehmen automatisch nach oben treiben.

Zuerst erschienen in „Die Neue Südtiroler Tageszeitung“ am 29. Oktober 2016

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