19. November 2017

Südtiroler Pflegesicherung: Feilen am Erfolg

Stefan Perini ("Wirtschaft Quer")

Mit der Pflegesicherung hat Südtirol vor 10 Jahren ein einzigartiges System eingeführt und erfolgreich weitergebracht. Nun sind einige Justierungen nötig geworden.

Das Pflegegeld ist die bedeutendste Wohlfahrtsleistung des Landes Südtirol und einzigartig in Italien. Nun feiert diese Erfolgsgeschichte ihr 10. Jahr. Die Gründerväter hatten sich für ein voll und ganz steuerfinanziertes System entschieden. Es sollte die Pflege zu Hause gestärkt werden und den Pflegebedürftigen ihre gewohnte familiäre Umgebung erhalten bleiben. Heute werden 11.800 Menschen zu Hause gepflegt und 4.200 in Alten- und Pflegeheimen. Rund 202 Mio. € hat das Land im Jahr 2016 in die Pflegesicherung investiert.

Nach 10 Jahren sind Anpassungen nötig geworden. Wie das AFI schon erhoben hat, brauchen pflegende Angehörige Auszeiten, Pflegehelfer/innen benötigen zusätzliche Ausbildung und Beratungsdienste für die Familien tun dringend Not. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob das Pflegegeld den Familien weiterhin unabhängig vom Einkommen zustehen soll oder nicht. Was die Einstufung in die vier Pflegeklassen betrifft, sind unangemeldete Kontrollen mit Ende dieses Jahres Geschichte. Ab 1. Jänner 2018 wird das Pflegegeld auf drei Jahre ausbezahlt. Für danach ist ein neuer Antrag zu stellen. Bei bleibender Invalidität und für Pflegebedürftige über 88 Jahre wird das Pflegegeld weiterhin auf unbegrenzte Zeit ausbezahlt.

Ein weiterer Diskussionspunkt betrifft die Bewertung, was das Pflegegeld eigentlich darstellen soll: Geldleistung zugunsten der pflegebedürftigen Person oder Lohnersatz für die Hauptpflegeperson? Wird es als ersteres gewertet, so wäre es naheliegend, das Pflegegeld an die finanzielle Bedürftigkeit der Pflegeperson zu koppeln. In diesem Fall müsste man es an die Einkommens- und Vermögenssituation koppeln und über die EEVE steuern. Wird es hingegen als Lohnersatz für die Hauptpflegeperson gesehen, müsste es eben diesen, nach Pflegestufen gestaffelt, als Pauschalbetrag zukommen.

„Das Pflegegeld kann als Geldzuschuss für die pflegebedürftige Person oder aber als Lohnersatz für die Hauptpflegeperson gesehen werden.“

Dabei bedenke man: 84% der Hauptpflegepersonen sind Frauen. In 73% der Fälle sind es Familienangehörige, meistens die Ehepartnerin, Tochter oder Schwiegertochter der Pflegeperson. Mit der Bezahlung von Lohnersatzleistung bzw. Anrechnung von Rentenzeiten würde man Frauenpolitik betreiben, andererseits aber nicht sicherstellen, dass die Wohlfahrtsleistung auch wirklich beim Pflegebedürftigen ankommt. Beide Überlegungen haben ihre Vor- und Nachteile.

Erstmals veröffentlicht in „Die Neue Südtiroler Tageszeitung“ vom 18. November 2017

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