30. Juni 2016

Die Pflege der Zukunft ist vernetzt

In den letzten Jahren haben in Südtirol stetig mehr Menschen das Pflegegeld des Landes bezogen. Das ist im Plan und das wird auch so weiter gehen, aber es werden neue Formen der Pflege nötig sein, bei der Qualität und Vernetzung ganz oben stehen. Das ist die Quintessenz der neuen breit angelegten Studie des AFI zum Pflegegeld. AFI-Präsident Toni Serafini: „Eine entwickelte Gesellschaft beweist sich darin, wie gut sie mit den Schwächeren und den Älteren umgeht, und deshalb liegt uns diese Studie sehr am Herzen“. Der Autor und AFI-Forscher Josef Untermarzoner weist im Einzelnen nach, wie sich das System der Pflegesicherung in Südtirol entwickelt hat und vor welchen Herausforderungen die Verantwortlichen des Landes stehen werden. Das Pflegegeld wurde 2008 eingeführt, um die Pflege von Angehörigen zu Hause zu fördern und die Altenheime zu entlasten.   

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Pressetext

Die Pflege zu Hause wird maßgeblich vom gesellschaftlichen Wandel beeinflusst. Die Familien und Haushalte werden kleiner, die Frauen sind stärker berufstätig und die zeitliche Verfügbarkeit der Angehörigen für Pflege wird knapper. Allgemein nimmt die Pflegebereitschaft ab, während die Gesellschaft zunehmend altert und die Pflegebedürftigkeit wächst. „Somit steigt die Nachfrage nach Hauspflegekräften und Diensten, die ambulant, teilstationär oder stationär sein können. Damit Angehörige weiterhin Pflegearbeit leisten, wird es zusätzliche Anreize und Unterstützung durch die öffentliche Hand brauchen“, schreibt das AFI in seiner Studie. Die Pflege sei heute zwischen Angehörigen, privaten Pflegehilfen und professionellen Pflegekräften aufgeteilt. In Zukunft wird es zu einer stärkeren Verknüpfung dieser Träger der Pflege kommen, so Untermarzoner. Es werde Mischformen von ambulanter und stationärer Pflege geben. Will der zukünftige höhere Pflegebedarf nach hohen Qualitätsstandards gewährleistet werden, müsse es zudem einen intelligenten Mix von Geld- und Sachleistungen geben.

Qualität sichern ist Gebot der Zukunft

Schon heute wird ein Teil des Pflegegeldes in Form von Gutscheinen ausbezahlt, mit denen Pflegedienste eingekauft werden können. „Wenn das Land vermehrt Dienstgutscheine ausstellt, muss gewährleistet sein, dass das vorhandene und wachsende Angebot einem vorgegebenen Qualitätsstandard entspricht.“ Dieser Grundsatz sei aus den vielen Interviews mit Experten und „Peer Groups“ klar zutage getreten, so der Autor der Studie. Die Kontrolle des Pflegemarktes könnte beispielsweise über die Akkreditierung von Anbietern erreicht werden. Eine weitere Herausforderung erkennt die AFI-Studie im Zusammenwirken von Ämtern, Einrichtungen, privaten Anbietern, Pflegebedürftigen und Angehörigen: „In Zukunft wird es noch wichtiger werden, jeden Einzelfall genau zu betrachten und in enger Zusammenarbeit mit allen Beteiligten ein angemessenes Pflegearrangement zu finden“, sagt die AFI-Studie.

Beratung für die Pflege zuhause

Auch in der Pflege zu Hause werde die Qualitätssicherung immer wichtiger. Es gehe um die korrekte Verwendung des Pflegegeldes und die Angemessenheit der Pflege, aber auch darum eine mögliche Überforderung der Pflegenden zu vermeiden. „Wenn die Pflegearbeit in der Familie nicht aufgeteilt werden kann, sind die pflegenden Angehörigen psychisch und physisch stark belastet“, weiß Untermarzoner. Ein umfangreiches Angebot an Beratung, Begleitung und Ausbildung könne den Familien in allen Fragen der Pflege eine entscheidende Stütze sein. „Die Einrichtung der territorialen Anlaufstellen für Pflege und Betreuungsangebote ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung“, so die AFI-Studie. Grundsätzlich sei die Vernetzung aller in diesem Bereich tätigen Akteure wichtig. Auch weist die AFI-Studie darauf hin, dass es ein laufendes Daten-Monitoring brauche und alle 5 Jahre eine Evaluation, welche die die mit dem Pflegegeld verbundenen Wohlfahrtsleistungen auf ihre Wirksamkeit prüft.

Investition und Wirtschaftsmotor

Das Land Südtirol gab im Jahr 2014 insgesamt 197,5 Mio. € für das Pflegegeld aus. Diese Aufwendung sollte am intendierten Ziel gemessen werden, allen pflegedürftigen Menschen des Landes ein würdiges Dasein zu ermöglichen, so das AFI. „Wenn die Mittel wirksam eingesetzt werden, handelt es sich beim Pflegegeld zweifelsfrei um eine gerechtfertigte Sozialinvestition, die zur Lebensqualität in Südtirol beiträgt“, unterstreicht Direktor Stefan Perini. Die Studie des AFI belege die durchaus nennenswerten Auswirkungen des Pflegesektors auf die gesamte Südtiroler Wirtschaft.

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Die Zahlen zum Pflegegeld

Seit 2008 haben alle dauerhaft in Südtirol Ansässigen mit einem Pflege- und Betreuungsbedarf von mehr als 60 Stunden im Monat Anrecht auf das Pflegegeld des Landes. Es soll den Pflegebedürftigen ein würdiges Leben in der gewohnten Umgebung ermöglichen und pflegende Angehörige unterstützen. Die Südtiroler Pflegesicherung kommt allen Bürgerinnen und Bürgern unabhängig von ihrem Einkommen zugute. Entscheidend für den Erhalt des Pfleggeldes ist das Angewiesensein auf fremde Hilfe.

  • Das Pflegegeld bezogen zum 31. Dezember 2014 insgesamt 14.798 Menschen oder 2,8 % der Bevölkerung Südtirols.
  • 10.235 Menschen (rund 70%) wurden zu Hause gepflegt. Etwas mehr als die Hälfte der zuhause Gepflegten erhält das Pflegegeld der Grundstufe (Pflegestufe 1) und 4,6 % das der höchsten Stufe 4, bei einem Pflegebedarf von mehr als 240 Stunden im Monat.
  • Von den zu Hause gepflegten Menschen sind 70% älter als 70.
  • Die Pflege zuhause ist weiblich: 84,2 % der Pflegenden sind Frauen. Die Hauptpflegepersonen kommen zu 72,6 % aus der eigenen Familie, besonders häufig übernehmen Töchter und Ehefrauen die Pflegearbeit.
  • Von den Hauptpflegepersonen sind viele zusätzlich berufstätig: 18,8 % arbeiten in Vollzeit, 13,5 % in Teilzeit.
  • In vielen Haushalten wird die Pflegearbeit zum Teil oder ganz einer Hauspflegekraft (umgangssprachlich „Badante“) übertragen. Ca. 4.500 Hauspflegekräfte gibt es in Südtirol, 97% sind Frauen. Hauspflegekräfte kommen zu 50% aus EU-Staaten, zu 50% aus Nicht-EU-Staaten.
Wohlfahrtsstaat

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