AFI im Dialog

Florenz macht’s vor: Kein Auftrag ohne Mindestlohn-Garantie! Jetzt steht Südtirol im Fokus – doch fehlt hier der Mut zum Handeln? Während Florenz mit 9 € pro Stunde als Mindestlohnschwelle gegen Lohndumping vorgeht, verharren Südtirols Gemeinden in Zurückhaltung. AFI-Direktor Perini fordert: „Schluss mit der Aufschiebe-Taktik!“

Das AFI | Arbeitsförderungsinstitut belebt sein in den Jahren 2020-2021 erfolgreiches Format „AFI im Dialog“ wieder. Im heutigen Webinar stand der „Gemeinde-Mindestlohn“ im Mittelpunkt – konkret die Frage, ob dieses Modell, das in Florenz und etwa 20 weiteren italienischen Gemeinden umgesetzt wurde, auch für Südtirol eine Option darstellen könnte.

Der Mindestlohn in den italienischen Gemeinden

Der Hintergrund: Noch 2023 verpflichteten sich einige italienische Gemeinden, darunter La Spezia und Livorno, öffentliche Aufträge nur an Unternehmen zu vergeben, die den repräsentativsten nationalen Kollektivvertrag der Branche und auf jedem Fall einen Mindestlohn von 9 € pro Stunde gewährleisten. Im Frühjahr 2024 folgte Florenz als prominenter Unterstützer dieser Initiative.

Das „Modell Florenz“

Zunächst zur Definition: Der Gemeinde-Mindestlohn ist weder ein kommunales Gesetz noch ein Kollektivvertrag. Es handelt sich um eine Selbstverpflichtung der Stadt Florenz, bei öffentlichen Aufträgen von Zuschlagsempfängern die Einhaltung von Mindeststandards einzufordern.

Arbeits-Stadtrat Dario Danti erklärt: „Florenz ist die erste Stadt, die den Mindestlohn in allen öffentlichen Ausschreibungen anwendet. Es handelt sich um eine Maßnahme zur Sicherung der Menschenwürde: Nie wieder wird ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin, die in städtischen Diensten arbeitet, z.B. im Sozialwesen, in Schulen oder städtischen Museen, weniger als 9 € pro Stunde verdienen. In der Ausschreibung wird der vorteilhafteste Bereichs-Kollektivvertrag zugrunde gelegt. Mit diesem Beschluss garantiert die Stadt Florenz, dass keine ‚Piratenverträge‘ angewandt werden. Bei den Ausschreibungen werden wir die Anwendung jener nationalen Kollektivverträge vorschreiben, die von den repräsentativsten Gewerkschaften unterzeichnet worden sind.“

Die Stadt verpflichtet sich weiters, alle ab 2022 abgeschlossenen Verträge zu überprüfen und halbjährlich einen Bericht zur Einhaltung der Vertragsbedingungen zu erstellen. Auch Gewerkschaftstreffen sollen sicherstellen, dass das Modell in der Praxis greift.

Unternehmen, die einen von der Ausschreibung abweichenden Kollektivvertrag anwenden möchten, müssen dessen Gleichwertigkeit in einer sogenannten „Äquivalenzkontrolle“ nachweisen. Hierbei wird geprüft, ob die wirtschaftlichen und rechtlichen Bedingungen, insbesondere der Mindestlohn von 9 €, erfüllt werden. Diese Kontrolle orientiert sich an den Kriterien der nationalen Antikorruptionsbehörde ANAC und des nationalen Arbeitsinspektorats.

Die „Fälle“ Brixen und Meran

Angeregt durch die Beispiele in der Toskana und in Kampanien, brachten auch die Gemeinderatsmitglieder Verena Stenico (Brixen) und Andrea Rossi (Meran) Anträge zur Einführung eines Gemeinde-Mindestlohns ein. „Wir wollten ein Zeichen gegen unterbezahlte Arbeit setzen“, erklären Stenico und Rossi. In beiden Städten wurden die Anträge jedoch abgelehnt – in Meran allerdings nur knapp. Gegenargumente waren etwa, dass die Gemeinde hier keine Zuständigkeiten habe, dass man Rekurse vermeiden wolle und dass ein Stundenlohn von 9 € in Südtirol ohnehin nicht unterschritten werde. Die Initiatoren halten allerdings dagegen: „Uns sind Fälle von öffentlichen Aufträgen bekannt, in denen den Mitarbeitenden sehr wohl weniger als 9 € bezahlt wird.“ Sie sprechen von einer verpassten Chance, faire Arbeit zu fördern.

Modell Florenz – eine Option für Südtirol?

In der abschließenden Diskussion wurde lebhaft darüber debattiert, ob das Modell auch in Südtirol Schule machen könnte. AFI-Direktor Stefan Perini verwies dabei auf die öffentliche Hand als größten Arbeitgeber in Südtirol (in all ihren Formen: Landesverwaltung, Gemeinden, Bezirksgemeinschaften, Sanitätsbetrieb…), mit einem Auftragsvolumen von 2,12 Mrd. € allein im Jahr 2023 (zur Einordnung, der im Dezember 2022 verabschiedete Südtiroler Landeshaushalt 2023 belief sich auf 6,69 Mrd. €). Von allen Vergabestellen sind die Gemeinden die wichtigsten Akteure. Sie sie stellen 48,0% der Verfahren und ein Drittel des Auftragsvolumens.

Die Fragen an Stadtrat Danti bezogen sich insbesondere auf die Umsetzung, die Ausschreibung und die Kontrolle des Gemeinde-Mindestlohnes. Ob eine Selbstverpflichtung der Gemeinden der richtige Weg sei, um Lohndumping bei öffentlichen Aufträgen wirksam einzudämmen, ließ das AFI offen. „Die Lokalpolitik darf dieses Problem jedenfalls nicht länger vor sich herschieben“, mahnte Perini und forderte entschlossenes Handeln gegen unterbezahlte Arbeit.

Pressemitteilung

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