EWCS 2021

Die oft als Zeitverschwendung abgestempelte Weiterbildung kann sowohl für die Unternehmen als auch für die Beschäftigten selbst von großem Nutzen sein. In Südtirol wird diese Botschaft jedoch innerhalb der verschiedenen Branchen unterschiedlich aufgenommen – dies liegt zum Teil aber auch an den Besonderheiten der einzelnen Berufsbilder. In Zeiten von Fachkräftemangel muss Südtirol an seiner Attraktivität arbeiten, hierbei spielen die Karrieremöglichkeiten eine zentrale Rolle. „Weiterbildung erhöht die Qualität von Produkten und Dienstleistungen, fördert die persönliche Entwicklung der Mitarbeiter:innen und ist folglich eine Investition. Karrierechancen wiederum sind sehr wichtig, um junge Menschen anzuwerben und zu halten, welche die Südtiroler Wirtschaft zukunftsfähig machen können“, betont AFI-Präsident Andreas Dorigoni.

In einem Arbeitsmarkt, auf dem qualifizierte Fachkräfte ein knappes Gut sind, können zwei Aspekte über die Wettbewerbsfähigkeit einer Region entscheiden: zum einen ein bedarfsgerechtes Weiterbildungsangebot und zum anderen die Notwendigkeit, junge, ehrgeizige Arbeitskräfte anzuziehen und zu halten, wobei hier die gebotenen Karrieremöglichkeiten nicht zu unterschätzen sind.

Das gilt auch für Südtirol – die Umsetzung dieser Theorie in die Praxis ist aber nicht immer so einfach, wie heute der Arbeitspsychologe und AFI-Forscher Tobias Hölbling auf einer Pressekonferenz bei der Vorstellung des EWCS-Branchenberichtes aufzeigte.

Zwei Drittel der Südtiroler Arbeitnehmenden bilden sich weiter…

Insgesamt betrachtet haben zwei Drittel der Arbeitnehmer:innen in Südtirol in den 12 Monaten vor der Befragung irgendeine Art von Weiterbildung absolviert: „Nur“ 34% der Befragten gaben an, keinerlei Weiterbildung gemacht zu haben. Von den 66%, die ein Aus- und Weiterbildungsangebot wahrgenommen haben, wurden 14% von externen Fachleuten geschult und 19% von Kolleg:innen und Vorgesetzten am Arbeitsplatz. 33% hingegen kamen in den Genuss gleich beider Weiterbildungsarten.

… aber die Unterschiede zwischen den Branchen sind groß

Betrachtet man die einzelnen Branchen, so gibt es große Unterschiede im Ausmaß und in der Art der Weiterbildung, die von den jeweiligen Unternehmen und Organisationen angeboten worden ist.

Negativ sticht die Hotellerie und Gastronomie hervor: 54% der in dieser Branche Beschäftigten haben überhaupt keine Weiterbildung absolviert. Dieser hohe Wert, der wahrscheinlich auch durch die äußeren Umstände während des Befragungszeitraumes (noch während der laufenden Corona-Pandemie im Jahr 2021) beeinflusst ist, bestätigt dennoch dieses negative Merkmal für die Branche, welche selbst in „normalen“ Zeiten die niedrigsten Weiterbildungsquoten zu verzeichnen hatte (2015 hatten nur 38% der Mitarbeitenden an Weiterbildungen teilgenommen).

Die Branche Erziehung und Unterricht schneidet hingegen gut ab; hier haben nur 15% der Beschäftigten überhaupt keine Weiterbildung gemacht. Allgemein wird Weiterbildung im gesamten öffentlichen Sektor großgeschrieben, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass sie zu einem guten Teil verpflichtend ist.

Mehr Karrierechancen in der Privatwirtschaft

Der öffentliche Sektor punktet zwar bei der Weiterbildung, hat allerdings bei den Karrieremöglichkeiten noch Nachholbedarf. „Gerade dieser Aspekt ist allerdings bei der Anwerbung von jungem und motiviertem Personal mitentscheidend“, gibt Hölbling zu bedenken. Den Jobs im öffentlichen Bereich werden oft schlechte Aufstiegsmöglichkeiten nachgesagt: Nur etwas mehr als jede:r vierte in der Branche Unterricht und Erziehung  Beschäftigte (26%) ist der Meinung, dass Arbeitskräfte in den Kindergärten, Sozialarbeiter:innen und Lehrpersonen sehr gute oder gute Aufstiegsmöglichkeiten haben, während 58% dies nicht oder überhaupt nicht so sehen. In der öffentlichen Verwaltung fallen die negativen Antworten zu den Karrieremöglichkeiten weniger dramatisch aus, aber auch hier geben 42% der Befragten an, wenig Aufstiegschancen zu haben.

In der Privatwirtschaft ist die Situation ganz anders: Im Baugewerbe beispielsweise sagen zwei von drei Beschäftigten, dass sie gute Karrierechancen haben. Das sehen auch 58% der Beschäftigten in der Hotellerie und Gastronomie sowie 52% der Beschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe so.

Unterschiede in der Einschätzung der beruflichen Aufstiegschancen zeigen sich nicht nur aufgrund der Branchenzugehörigkeit, sondern auch aufgrund des Alters: „In den drei genannten Branchen sind die Arbeitnehmenden im Durchschnitt jünger und haben noch Ziele und Pläne, während das Durchschnittsalter im öffentlichen Sektor höher ist und daher viele der Befragten bereits den Höhepunkt ihrer Karriere erreicht haben dürften“, so Hölbling abschließend.

Statement von AFI-Präsident Andreas Dorigoni

Südtirol braucht sowohl ein nachhaltiges Weiterbildungsangebot, das Unternehmen und Organisationen durch eine systematische Qualifizierung ihrer Mitarbeitenden fit für die Zukunft macht, als auch Karrieremöglichkeiten in den Unternehmen, um junge und ehrgeizige Arbeitskräfte zu gewinnen und zu halten.

Pressemitteilung

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