AFI-Barometer
Unbeschadet der Umwälzungen auf der internationalen politischen Bühne bleibt die Weltwirtschaft auf Wachstumskurs. Für den EU-Raum schätzt die OECD das Wirtschaftswachstum für 2024 rückblickend auf +0,8%, für 2025 werden +1,3% prognostiziert. Insgesamt war 2024 für Südtirols Wirtschaft ein gutes Jahr – das AFI bemisst das Wachstum auf +1,0%. Zum Jahresauftakt ist die Stimmung bei Südtirols Arbeitnehmer:innen auffallend positiv, und zwar sowohl was die Gesamtwirtschaft als auch was die eigene Situation anbelangt. AFI-Direktor Stefan Perini mahnt dennoch zur Vorsicht: „Das Problem ist weniger was ist, sondern was noch kommt.“
2025 markiert eine Zeitenwende. Vor dem Hintergrund eines neuen Zeitgeistes, der vermutlich als „Neoimperialismus“ in die Geschichtsbücher eingehen wird und von Akteuren wie Donald Trump, Wladimir Putin und Xi Jinping geprägt ist, verweilt Europa in der Schockstarre. Maßnahmen wie die Begnadigung der Capitol-Stürmer und die angekündigte Einführung von Handelszöllen für China, Kanada und Mexiko lassen die Militärkonflikte in der Ukraine und im Nahen Osten in den Hintergrund treten. Relativ unbeeindruckt von diesen Ereignissen haben die Länder der Eurozone auch 2024 ein moderates Wirtschaftswachstum erzielt (+0,8% laut OECD), wobei Deutschland in der Rezession festsitzt und als der „kranke Mann“ Europas dasteht. Die EZB hat die Zinswende Mitte 2024 vollzogen und die Leitzinsen in fünf Schritten auf nun 2,90% herabgesetzt. Die Inflation ist nun wieder nahe am EZB-Zielwert von 2%. Italiens Wirtschaft schlägt sich im angespannten geopolitischen Umfeld bislang recht tapfer. Die Stimmung bei Unternehmen und Konsument:innen ist verhalten positiv und das Wirtschaftswachstum belief sich 2024 auf +0,5%. Mit moderatem Wachstum soll es auch 2025 weitergehen: +1,3% für die Eurozone, +0,9% für Italien.
DIE ECKDATEN: 2024 war für Südtirols Wirtschaft ein gutes Jahr
Zumal die meisten Daten schon das gesamte Jahr abdecken, ist es bereits möglich, eine vorläufige Endbilanz der Südtiroler Wirtschaft für das Jahr 2024 zu ziehen. Südtirols Arbeitsmarkt zeigt sich solide und nach wie vor aufnahmefähig. Neue Rekordmarken erreichte Südtirol bei der unselbständigen Beschäftigung (230.316 Personen im Jahresschnitt, +1,7% zu 2023), in der Erwerbsbeteiligung (Erwerbstätigenquote: 75,5%, Arbeitslosenrate 0,8%), im Außenhandel (+6,0% sowohl bei den Exporten als auch bei den Importen) und bei den touristischen Nächtigungen (+2,2% zum Vorjahr – Dezemberwert noch ausständig). Die Inflation ging in Bozen 2024 stark zurück und erreichte im Jahresschnitt 1,7%. Im Fahrwasser sinkender Zinsen erholte sich das von Südtiroler Banken eingeräumte Kreditvolumen in der zweiten Jahreshälfte wieder schrittweise – die Jahres-Zwischenbilanz bleibt allerdings noch negativ (-4,7%). Weiterer Wermutstropfen: Die Zahl der genehmigten Stunden in der Lohnausgleichskasse ist 2024 um +40% zu 2023 angestiegen – allerdings ist nicht gesagt, dass das gesamte zugesprochene LAK-Kontingent auch tatsächlich von den Unternehmen abgerufen wird.
DIE STIMMUNG: Arbeitnehmer:innen erstaunlich zuversichtlich
Südtirols Arbeitnehmende starten mit bemerkenswerter Zuversicht in das Jahr 2025. Nahezu alle eingeholten Indikatoren zeigen im Vergleich zu den vergangenen 12 Monaten eine Verbesserung auf. Allerdings ist anzumerken, dass diese in einigen Fällen (insbesondere gilt dies für die Fähigkeit, mit dem Lohn über die Runden zu kommen) auf ein sehr tiefes Niveau abgesackt waren. Die Erwartungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung Südtirols haben sich aufgehellt, des Weiteren rechnet man kurzfristig nicht mit einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Das Risiko, den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren, bleibt auch in der Winterbefragung so gut wie nicht existent. Die Perspektiven, einen gleichwertigen Job zu finden, werden von den Arbeitnehmer:innen sogar wieder besser bewertet als in den sechs vorhergehenden Umfrage-Wellen.
DIE AUSSICHTEN: Mit +0,8%, auch 2025 moderates Wachstum für Südtirols Wirtschaft
Viele Rahmenbedingungen bleiben für die Südtiroler Wirtschaft 2025 günstig – so der solide Arbeitsmarkt mit Vollbeschäftigung sowie eine Inflationsrate, die inzwischen auf „Unbedenklichkeit-Niveau“ abgesunken ist. Die Wachstumsimpulse, die 2025 für die Südtiroler Wirtschaft vom Ausland kommen, dürften allerdings aufgrund zunehmender Handelshemmnisse abnehmen, womit der Außenhandelsbeitrag abnehmen dürfte. Des Weiteren schränken die verhältnismäßig hohen Finanzierungskosten nach wie vor die Investitionstätigkeit von Unternehmen und Privatpersonen ein. Andererseits werden die in verschiedenen Sektoren erneuerten Kollektivverträge – auch wenn die Lohnerhöhungen nicht immer im gewünschten Maß ausgefallen sein mögen – Südtirols Familien Kaufkraft zuführen. So wird beispielsweise die zweite Akonto-Zahlung des Inflationsausgleichs im öffentlichen Dienst im Februar 170 Mio. € an zusätzlicher Kaufkraft in den Wirtschaftskreislauf spülen. Der mit 8 Mrd. € gut dotierte Landeshaushalt mit selbstdefiniertem „sozialen Charakter“ wird als wichtiger Stabilitätsfaktor in schwieriger werdenden Zeiten gebraucht.
Für 2025 bleibt das AFI vorsichtig und prognostiziert für Südtirol ein Wirtschaftswachstum von +0,8%. Die AFI-Schätzung liegt leicht unter den Werten der Partnerinstitute (ASTAT: +1,0%; WIFO: +1,2).
Dazu AFI-Direktor Stefan Perini: „Turbulente Zeiten stehen bevor. Doch Südtirols Wirtschaft kann aus einer Position der Stärke agieren –– und dies ist sicher kein Nachteil.“
Stellungnahme von AFI-Präsident Andreas Dorigoni
„Die Kombination aus Pensionierungswellen und Geburtenrückgang zeigt klar: Die wahre Zukunftsressource sind die Menschen. Um Südtirol als attraktiven Arbeitsstandort zu positionieren, müssen die Arbeitsbedingungen einschneidend verbessert werden. Leider fehlt auf Arbeitgeberseite sehr oft noch das nötige Bewusstsein für diese Herausforderung.“
Stellungnahme von Arbeits-Landesrätin Magdalena Amhof
„Trotz der Herausforderungen im Jahr 2024 hat sich Südtirols Wirtschaft bemerkenswert behauptet – das stimmt zuversichtlich. Wir sind überzeugt, dass die neuen Maßnahmen in der Arbeitsvermittlung und in den kollektivvertraglichen Verhandlungen, insbesondere im öffentlichen Dienst, spürbare Entlastungen bringen werden.“
Nähere Informationen erteilt AFI-Direktor Stefan Perini (T. 0471 41 88 30, M. 349 833 40 65, ).
Das AFI-Barometer wird viermal im Jahr erhoben (Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter) und gibt das Stimmungsbild der Südtiroler Arbeitnehmerschaft wieder. Die Erhebung erfolgt über eine telefonische Umfrage bei 500 Südtiroler Arbeitnehmer:innen und ist für Südtirol repräsentativ. Die nächsten Umfrageergebnisse werden Mitte April 2025 vorgestellt.