Planung mit Nachhaltigkeit
Italien setzt Maßstäbe. Als erstes Land der EU lässt es den Mehrjahresplan der Regierung auf Nachhaltigkeit überprüfen.
Die Forderung, politische Maßnahmen verstärkt auf ihre soziale und ökologische Verträglichkeit hin zu prüfen, ist zwar nicht neu, aber innovative Ansätze, die über das Bruttoinlandsprodukt-Denken hinausgingen, wurden hauptsächlich an Universitäten und Forschungseinrichtungen diskutiert und kamen selten im politischen Tagesgeschäft an. Bald aber kommt Schwung in die Sache, und der Vorreiter ist niemand anders als Italien.
Das Gesetz Nr. 163/2016 (Novellierung des Bilanzgesetzes) verpflichtet das Wirtschafts- und Finanzministerium ab 2018, dem sogenannten Wirtschafts- und Finanzdokument („Documento di Economia e Finanza“) einen Bericht zur Wirksamkeit und Nachhaltigkeit getroffener politischer Maßnahmen vorzulegen. Konkret muss aufzeigt werden, wie sich in Italien die Indikatoren der Lebensqualität und der sozialen Gerechtigkeit entwickeln. Der Bericht muss sowohl den Verlauf der Indikatoren im letzten Dreijahreszeitraum angeben als auch die erwartete Auswirkung von bestimmten politischen Maßnahmen auf ebendiese Indikatoren für die nächsten drei Jahre.
„Die Mehrjahresplanung mit einem Nachhaltigkeits-Check zu verbinden wäre auch eine Idee für die Südtiroler Landesregierung“.
Damit ist Italien Vorreiter, und zwar nicht nur in der EU, sondern auch in der G7. Die Auswahl der Indikatoren erfolgte durch eine unabhängige Fachkommission unter Federführung des staatlichen Statistikinstituts ISTAT. Seit 2010 hatte sich das ISTAT mit dem Projekt BES („Benessere economico e sostenibile“) das nötige Knowhow und eine umfassende Datenbank aufgebaut. 130 Indikatoren stehen im Internet jedem zur Verfügung, der sich ein Bild machen will, wie sich Italien entwickelt.
Die Fachkommission hat nun 12 Indikatoren ausgewählt, nach denen sich die wirtschaftliche, soziale und ökologische Tragfähigkeit von Politiken am besten bewerten lässt. Diese sind das verfügbare Einkommen nach Transferleitungen, die Ungleichverteilung von verfügbarem Einkommen, die Quote an Personen in absoluter Armut, die Lebenserwartung bei Geburt, die Rate an Personen mit Übergewicht, die Schulabbruchquote, die Rate an NEETs (not in employment, education or training), das Verhältnis von Frauen im Alter von 25 bis 49 Jahren mit Kleinkindern und Frauen ohne Kinder, die Kriminalitätsrate bei Diebstählen, der Effizienzindex der Zivilgerichtsbarkeit, die Emissionen von CO2 und Klimagasen sowie der Index irregulärer Bautätigkeit.
Zwar ist der Weg noch lang, doch die Zuversicht wächst, dass sich hier ein neues Verständnis von gesellschaftlichem Fortschritt Bahn bricht.
Prima pubblicato in “Die Neue Südtiroler Tageszeitung”, edizione del 23 settembre 2017
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