17 Dicembre 2017

Von der Kunst des Segelns

Stefan Perini ("Wirtschaft Quer")

Wer vorankommen will, segelt hart am Wind. Eine Geschichte übers Segeln und Führen. Und über Grenzgänge.

Der Polarforscher Ernest Shackleton hat es mit seiner Antarktis-Expedition „Endurance“ (1914-1916) zu Weltruhm gebracht. Nicht, weil er sein Ziel erreichte, sondern weil er nach einer zweijährigen Irrfahrt im Eismeer seine ganze Mannschaft wieder zurückbrachte: Ergebnis seiner herausragenden Führungsqualitäten.

Expeditionsleiter und Schiffskapitäne sind in der Führungstheorie gern gewählte Figuren. Und tatsächlich: Vieles von der Philosophie des Segelns lässt sich auf das Führen in Organisationen übertragen. Entscheidungsschritte sind ähnlich gelagert. Alles beginnt damit, ein Ziel anzuvisieren. Schließlich darum, den Kurs auszuloten und aufzunehmen, um das Ziel sicher zu erreichen. Gefahren müssen frühzeitig erkannt, vermieden oder umschifft werden. Segeln erfordert die Fähigkeit, Windstärke und -Richtung einschätzen und zugunsten der eigenen Organisation einsetzen zu können.

Nicht unberücksichtigt bleiben dürfen Erwartungen des engeren Kreises an Stakeholdern, das politische Umfeld und die Strategien der Mitbewerber. Nur wer die Bereitschaft mitbringt, hart am Wind zu segeln, kommt rasch voran. Es ist ein Spiel auf Messers Schneide: Lässt man die Segel zu lasch, verschenkt man Schubkraft – überschätzt man das Mögliche, riskiert das Boot zu kentern. Der Blick gilt stets dem Wetter und der Meereslage. Wenn sich Ziele oder Wetterlagen ändern, ist ein Umsteuern erforderlich. Deshalb ist wichtig, das Ruder stets in der eigenen Hand zu wissen. Je höher die Wahrscheinlichkeit von unplanmäßigen Ereignissen und von Wetterkapriolen, desto häufiger könnten schnelle Kursänderungen und eine schnelle Reaktion notwendig werden: Umso wichtiger ist die feste Hand am Steuer. Ist die Windrichtung ungünstig, erfordert das den Einsatz von Schiffmannstechniken wie das Kreuzen. Man darf nicht davor zurückschrecken, ein stückweit gegen den Wind zu segeln.

„Nur wer die Bereitschaft mitbringt, hart am Wind zu segeln, bringt das Boot voran.“

Zentral in allen Manövern ist eine gute Crew. Die Einbindung und ein Dialog bei jedem Vorhaben sind sehr wichtig, denn diese wirken sich positiv auf die Motivation der Crew aus. Für effektives Handeln ist gute Kommunikation ausschlaggebend. Der Kapitän muss aktiv und klar kommunizieren. Die Gespräche sollten nicht autoritär oder auf eine abwertende Art verlaufen, es sollte das richtige Level gefunden werden – ehrlich, aber angemessen. Wie sagt es wieder der Organisationsberater Olaf Hinz? „Hart am Wind segeln.“

Prima pubblicato in “Die Neue Südtiroler Tageszeitung”, edizione del 16 dicembre 2017

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