16. Juli 2018

Gute Stimmung mit leichtem Warnsignal

AFI-Barometer – Sommer 2018

Zur Jahresmitte 2018 zeigt sich die Südtiroler Wirtschaft in recht guter Verfassung. Dem europäischen Konjunkturverlauf folgend, dürfte die wirtschaftliche Dynamik in der zweiten Jahreshälfte etwas an Schwung verlieren. So sehen es jedenfalls die Südtiroler Arbeitnehmer. Im Vergleich zum vergangenen Sommer sind alle Indikatoren im AFI-Barometer besser oder gleichgeblieben, nur wird seit dem Frühjahr die Wirtschaftsentwicklung in Südtirol von den Arbeitnehmern etwas vorsichtiger eingeschätzt: „Wir werten das als Signal und nicht mehr, denn die Gesamtstimmung liegt auf einem hohen Niveau und es wäre verfrüht, von einem Abwärtstrend zu sprechen“, stellt AFI-Direktor Stefan Perini klar.

Der weltweite wirtschaftliche Aufschwung ist zwar noch intakt, verliert aber laut ifo-Konjunktur-Uhr in Europa allmählich an Schwung. In Italien ist die Stimmung bei den Konsumenten recht gut, bei den Unternehmen hat sie sich letztlich etwas eingetrübt. Als Hauptrisiko für die internationale Konjunktur gilt im Moment das Aufflackern des Protektionismus, der den Außenhandel eindämmt und Auslandsinvestitionen weniger attraktiv macht. In den USA sind die Leitzinsen letzthin deutlich angehoben worden. Die Rohölpreise ziehen weltweit wieder stark an. Das Ifo München rechnet in seiner Sommerprognose mit folgenden Wirtschaftswachstumsraten für das laufende Jahr: USA +2,7%, Euro-Raum +2,1%, Deutschland +1,8% und Italien +1,1%.

Südtirol: Erwartungen zur Wirtschaftsentwicklung sinken etwas ab

Der aktuelle Blick auf die Stimmung der Südtiroler Arbeitnehmer zeigt, dass die Erwartungen zur wirtschaftlichen Entwicklung in Südtirol zwar auf einem hohen Niveau sind (besser als im Sommer 2017), aber seit zwei Befragungen in Folge etwas absinken. „Es wäre aber verfrüht, von einem Negativtrend zu sprechen, denn im 12-Monats-Vergleich hat sich kein einziger Indikator abgeschwächt, im Gegenteil, drei haben sich sogar nennenswert aufgehellt“, sagt AFI-Direktor Stefan Perini. Es sind dies die ‚Suche nach einem gleichwertigen Arbeitsplatz‘, das ‚Risiko des Arbeitsplatzverlusts‘ und die ‚Sparmöglichkeiten‘. Aktuell geben 32% der Südtiroler Arbeitnehmer an, nur mit Schwierigkeiten über die Runden zu kommen, weil das Geld nicht bis ans Monatsende reicht. Andererseits ist ein relativ großer Teil an Arbeitnehmern (61%) davon überzeugt, in den nächsten 12 Monaten Geld ansparen zu können.

AFI bestätigt Wachstumsprognose von +1,5%

Für Südtirol hat das Wirtschaftsjahr 2018 gut begonnen. Die Zahlen, die den Jahresauftakt beschreiben, stimmen zuversichtlich: Arbeitnehmerzahl: +3,6%; Arbeitslosenrate: 2,9%; Exporte: +5,7%; Importe: +5,6%; touristische Nächtigungen: +5,6%; Inflationsrate: 1,6%; Kreditvolumen: +3,4%. Im Gleichzug mit der europäischen Konjunktur dürfte allerdings die Wirtschaftsdynamik in der zweiten Jahreshälfte etwas nachlassen. Das AFI hält vorerst an seiner Wachstumsprognose für 2018 von +1,5% für die Südtiroler Wirtschaft fest.

Durchschnittslöhne in Südtirol 7% über dem gesamtstaatlichen Wert

Die Löhne sind im Durchschnitt in Südtirol tatsächlich höher als auf nationaler Ebene, allerdings um nur 7%, wie Daten aus INPS-Archiven zeigen, und nicht um 13%, wie jüngst in einer Studie der italienischen Arbeitsrechtsberater behauptet. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass das allgemeine Preisniveau in Südtirol 20% über dem nationalen Schnitt liegt. Von den Daten zu den Stimmungen: Die knappe Mehrheit (53%) der Südtiroler Arbeitnehmer findet, dass die Gehälter in Südtirol nicht in einem angemessenen Verhältnis zu den Lebenshaltungskosten stehen. Allerdings wurde in früheren Barometer-Befragungen diesbezüglich auch schon eine höhere Unzufriedenheit gemessen. Vergleiche man die Einschätzungen im langen Zeitverlauf, sei jedoch kein eindeutiger Trend weder in die eine noch in die andere Richtung erkennbar, heißt es aus dem AFI.

Ungleiche Einkommen: Südtirol ist Mittelmaß mit Ansätzen zur Verbesserung

Es gelte zwischen der gefühlten und der aus Verwaltungsquellen belegbaren Einkommensungleichheit zu unterscheiden, schickt AFI-Direktor Perini voraus. Ihrer persönlichen Einschätzung nach stufen 83% der Befragten im AFI-Barometer die bestehende Ungleichheit zwischen Arm und Reich in Südtirol als „sehr groß“ (32%) oder „groß“ (51%) ein. In den AFI-Barometer-Befragungen der Vorjahre waren die Werte ähnlich hoch und zum Teil auch höher, so Perini. Auch hier sei kein Trend in die eine oder andere Richtung erkennbar. Mit Zahlen des ASTAT aus dem Jahr 2013 lasse sich belegen, dass die Haushaltseinkommen in Südtirol zwar gleichmäßiger verteilt sind als in den USA oder Italien, aber ungleicher als in Österreich, der Schweiz und Deutschland. Ein Grund hierfür sei die Spreizung zwischen „Gut-“ und „Schlechtverdienern“, weiß Perini. Diese sei in Südtirol zwar kleiner als in Griechenland oder Italien, jedoch größer als in den deutschsprachigen Nachbarländern. „Zahlen aus den Einkommenserklärungen deuten wiederum darauf hin, dass sich die Verteilung der Individualeinkommen zwischen 2011 und 2015 in Südtirol tendenziell im Sinn größerer Ausgewogenheit entwickelt hat“, stellt AFI-Direktor Stefan Perini mit Blick auf entsprechende Veröffentlichungen des Instituts fest.

Stellungnahme von AFI-Präsidentin Christine Pichler

„Man soll das Eisen schmieden, solange es heiß ist. In einer noch guten Wirtschaftslage ist es für die Südtiroler Arbeitnehmer und ihre Vertretungen an der Zeit, Betriebsabkommen mit höheren Löhnen heimzubringen, welche zu den Lebenshaltungskosten in Südtirol passen.“

 

Stellungnahme von Landesrätin Martha Stocker

„Südtirols Wirtschaft läuft gut und das lässt uns zuversichtlich sein.  Arbeitslosigkeit ist heute kein Thema mehr, im Gegenteil, wir konfrontieren uns zunehmend mit einem leergefegten Arbeitsmarkt und die neue Herausforderung für die Zukunft heißt „Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel“. Wir müssen heute an neuen Modellen für die Zukunft arbeiten: an der ständigen Qualifizierung der Arbeitskräfte auch im fortgeschrittenen Alter, an generationenübergreifenden Lebensarbeitszeitmodellen, an der Beteiligung am wirtschaftlichen Aufschwung für die gesamte Gesellschaft.“

Das AFI-Barometer erscheint viermal im Jahr (Winter, Frühjahr, Sommer, Herbst) und wiedergibt das Stimmungsbild der Südtiroler Arbeitnehmerschaft. Die telefonisch geführte Umfrage betrifft 500 Arbeitnehmer und ist für Südtirol repräsentativ.

Die nächsten Umfrage-Ergebnisse werden Ende Oktober 2018 vorgestellt. Nähere Informationen erteilt AFI-Direktor Stefan Perini (T 0471 41 88 30, stefan.perini@afi-ipl.org).

AFI Pressemitteilung |

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