24. Januar 2020

Mit ‚Andante moderato‘ ins Jahr 2020

Foto: MabelAmber/Pixabay

AFI-Barometer Winter 2019/2020

Nach geschätzten +1,4% im Jahr 2019 dürfte Südtirols Wirtschaft in 2020 um +1,0% wachsen, sagt das AFI. Die Stimmung der Südtiroler Arbeitnehmer bleibt nahezu unverändert, das wirtschaftliche Umfeld eher schwach. Die Neuigkeiten auf dem europäischen Parkett fasst AFI-Direktor Stefan Perini so zusammen: „Die Rezession in Deutschland scheint abgewendet, die EU kehrt sanft ab von der Sparpolitik und die Klimadebatte zieht in die Wirtschaftsforschung ein“.

Aus wirtschaftlicher Sicht beginnt das Jahr 2020 für die Euro-Länder zufriedenstellend. Mit dem Jahreswechsel hat sich die Stimmung der Unternehmen in Deutschland zum Positiven gedreht. Die Rezessionsgefahr scheint vorerst abgewendet. Mit einem 1.000 Mrd. € schweren „Green Deal“ will die Europäische Kommission die Dekarbonisierung der Wirtschaft vorantreiben und den Systemwandel in Europa einleiten. Und ein weiterer Paradigmenwechsel zeichnet sich ab: Nach mehr als einem Jahrzehnt soll die Sparpolitik einer Politik der öffentlichen Investitionen weichen. Anders lasse sich die Energiewende nicht schultern, sagen international anerkannte Forschungsinstitute wie etwa die Hans-Böckler-Stiftung.

Das abgelaufene Jahr 2019 war gekennzeichnet von einer Stabilisierung der internationalen Finanzmärkte und einer überaus dynamischen Entwicklung der wichtigsten Börsen. Spiegelbildlich zur Abnahme der Arbeitslosenzahlen sehen wir in der Europäischen Union die Zunahme der Beschäftigung. In seinem in Davos vorgestellten Bericht weist der Internationale Währungsfond (IWF) folgende Wirtschaftswachstumsraten für 2020 aus: Euro-Raum +1,3%; Deutschland: +1,1%; Italien: +0,5%.

2019 war gutes Jahr für Südtirols Wirtschaft

2019 wird als gutes Jahr für die Südtiroler Wirtschaft eingehen: Die noch vorläufigen Zahlen zeigen eine Zunahme der arbeitnehmerähnlichen Beschäftigung (+2,2%) bei einer historisch niedrigen Arbeitslosenrate (2,9%). Unbefristete Arbeitsverträge (+4,5%) ersetzen zunehmend die befristeten (-3,1%) – ein Effekt des römischen „Würde“-Dekrets. Die Kreditvergabe bleibt in fast allen Kundensegmenten dynamisch (+4,3%) – mit Ausnahme der Unternehmen, die weniger als 20 Mitarbeiter haben (-1,1%). Die touristischen Nächtigungen (+0,7%) und die Außenhandelszahlen (Export: +3,9%; Import: +2,5%) kehren in den positiven Bereich zurück, nachdem sie zwischenzeitlich und besonders zu Jahresbeginn 2019 negativ tendierten. Die Inflationsrate in Bozen bleibt moderat (1,3%) – liegt allerdings mehr als einen halben Prozentpunkt über dem gesamtstaatlichen Wert.

Stimmungsbild der Südtiroler Arbeitnehmer weitgehend unverändert

Die Stimmungsindikatoren im AFI Barometer Winter 2019/2020 bleiben nahezu unverändert. Das betrifft die im Saldo positiven Einschätzungen der Südtiroler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur wirtschaftlichen Entwicklung Südtirols in den nächsten 12 Monaten ebenso wie ihren entspannten Blick auf den lokalen Arbeitsmarkt. Das Risiko, den eigenen Arbeitsplatz verlieren zu können, wird als bescheiden empfunden. Parallel dazu sehen die Befragten geringe Schwierigkeiten, einen neuen Job zu finden, sollte es notwendig sein.

Die AFI-Prognose für 2020 ist +1,0%

Aus der Zusammenschau aller derzeit verfügbaren Faktoren rechnet das AFI für 2020 für Südtirol mit einem realen BIP-Zuwachs von +1,0%, was durchaus in Linie mit dem konjunkturellen Umfeld Europas ist. Es handelt sich um eine vorsichtige Schätzung in Anbetracht der Unsicherheiten auf internationaler Ebene, allen voran die mögliche Verschärfung militärischer Konflikte (USA/Iran), die mögliche Zunahme der Handelsschranken (Zollpolitik), die institutionelle Schwäche der EU und den mehr oder weniger geordneten Ausstieg Großbritanniens aus der EU.

Sparen in Zeiten von Negativzinsen: Eigenheim, Vorsorge, Gesundheit, Bildung

Im aktuellen AFI-Barometer glauben nicht alle Arbeitnehmerfamilien, in den nächsten 12 Monaten Geld auf die hohe Kante legen zu können: 19% antworten ‚sicherlich‘, 37% ‚eher schon‘, 25% ‚eher nicht‘, 19% ‚sicherlich nicht‘. Südtirols Arbeitnehmer sind vorsichtige Sparer: Ganz oben steht die Sicherheit des investierten Kapitals, dann folgt die Liquidität und erst danach kommt die Rendite – und selbst die sollte langfristig sein. Kurzfristige Gewinnüberlegungen spielen eine untergeordnete Rolle. Die Gründe fürs Sparen ändern sich im Lebensverlauf: Bei den Jungen steht die Wohnung an erster Stelle, bei den mittleren Kategorien sind es die Kinder, bei den Über-50-Jährigen ist es, neben den Kindern, auch die Vorsorge fürs Alter.

In Sachen Finanzkompetenz finden sich Italiens Bürger im Ranking der G20-Staaten an vorletzter Stelle zwischen Argentinien und Saudi-Arabien (Spitzenreiter: Frankreich, Norwegen, Kanada). Der Cocktail von negativen Realzinsen, geringer Risikobereitschaft und fehlenden Finanzkenntnissen führt dazu, dass Sparen heute für viele ein Verlustgeschäft ist. Wie handeln? Neben den traditionellen Optionen Immobilien, Lebensversicherungen oder ergänzende Pensionsfonds stehen die unkonventionellen Optionen auf dem Tapet. Eine davon ist die Gesundheit. Sich fit halten bedeutet weniger Ausgaben für medizinische Behandlung und Arzneien, die bei Rentnern nicht unwesentlich zu Buche schlagen können. Eine weitere unkonventionelle Option ist Bildung. „Weil der positive Zusammenhang zwischen Studienabschluss und Lohnniveau erwiesen ist, zahlen sich Investition in die eigene Fortbildung oder in jene der eigenen Kinder allemal aus“, rät das AFI. 

Stellungnahme von AFI-Präsident Dieter Mayr

„Nach einem guten Wirtschaftsjahr 2019 zeichnet sich eine zufriedenstellende Entwicklung auch für 2020 ab. Wirklich gut wird das Jahr aber erst, wenn alle fair vom Wachstum profitieren. Die Verteilungsfrage muss auf der politischen Agenda wieder ganz oben stehen.“

Nähere Informationen erteilen AFI-Direktor Stefan Perini (T 0471 41 88 30, stefan.perini@afi-ipl.org) und AFI-Forscher Friedl Brancalion (T. 0471 41 88 40, friedl.brancalion@afi-ipl.org).

Alle Ergebnisse des AFI-Barometers werden in Kürze veröffentlicht unter www.afi-ipl.org/afi-barometer.

Das AFI-Barometer erscheint viermal im Jahr (Winter, Frühjahr, Sommer, Herbst) und gibt das Stimmungsbild der Südtiroler Arbeitnehmerschaft wieder. Die telefonisch geführte Umfrage unter 500 Arbeitnehmern ist für Südtirol repräsentativ. Die nächsten Umfrageergebnisse werden Mitte April 2020 vorgestellt.

AFI Pressemitteilung |

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