24. Dezember 2017

Das Prinzip Oberflächlichkeit

Stefan Perini ("Wirtschaft Quer")

Noch nie war die verfügbare Datenmenge so umfassend wie heute, und trotzdem blickt man bei Landeshaushalt, Sozialtransfers und Steuern nicht besser durch als vor 20 Jahren. Ist das gewollt?

Der Südtiroler Landtag genehmigt den Landeshaushalt 2018 mitten im Streit um mehr Steuergerechtigkeit: Im Raum steht die Forderung, den reduzierten IRAP-Steuersatz in Zukunft nur mehr jenen Unternehmen zuzuerkennen, welche Löhne zahlen, die an die Südtiroler Lebenshaltungskosten angepasst sind. Zeitgleich steht die Treffsicherheit von Sozialleistungen wieder in Kritik: In der Wohnbauförderung wird ein Fall bekannt, wo ein Landesbeitrag von 52.600 € gewährt wurde und dieser auf null gesetzt wird, sobald das zweite Kind kommt. Geschieht alles im Jahr 2017.

Nie zuvor gab es eine so große und so leicht zu verarbeitende Menge an Information wie heute im Zeitalter der fortgeschrittenen Digitalisierung. Unternehmen wie Google machen Milliarden mit den gesammelten Daten ihrer Kunden. Die öffentliche Hand herrscht über ein regelrechtes Daten-Eldorado, nur schafft sie es nicht, dafür zu sorgen, dass ihre Datenbanken miteinander kommunizieren.

Beispiel Landeshaushalt. Trotz Ankündigung einer Durchforstung zu Beginn der Legislaturperiode ist bis heute wenig passiert. Zumal durch die Harmonisierung der öffentlichen Buchhaltungssysteme zwischen 2015 und 2016 Ausgabenkonten neu benannt wurden sind keine Zeitreihenvergleiche mehr möglich. Das ist ein Manko, das durch eine Um-Kodierung der alten Datenzeitreihen behoben werden müsste.

„Bei der heutigen Verfügbarkeit an Daten müsste man eigentlich über Sachverhalte besser Bescheid wissen.“

Beispiel Sozialtransfers. Trotz der Dimension der Sozialbudgets bleibt die Frage weitgehend unbeantwortet, wem heute in Südtirol Sozialleistungen zugutekommen. Was es bräuchte, wäre ein „Atlas der Sozialleistungen“ und eine Erhebung der „Profile der Sozialleistungsempfänger“.

Beispiel Steuergerechtigkeit. Das Land hat Zugang zu allen Daten aus den Steuererklärungen von Arbeitnehmern und von Arbeitgebern. Es dürfte sich ermitteln lassen, wer in welchem Maß die Steuerlasten heute trägt und wo nachgebessert werden muss.

Um all dies zu tun, braucht es drei Zutaten: den politischen Willen, das Knowhow von Experten, den Zugang zu gesicherten Daten. Die Frage, die ich mir nach 20jähriger Berufstätigkeit bei ASTAT, WIFO und AFI stelle, ist, ob es politisch überhaupt gewünscht ist, sich Klarheit zu verschaffen, oder aber es Strategie ist, möglichst viel im Dunkeln zu belassen.

Immerhin könnte man dann das Märchen erzählen, das sich gerade anbietet.

Erstmals erschienen in „Die Neue Südtiroler Tageszeitung“ vom 23. Dezember 2017

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