07. Februar 2024

Der Kredit zieht die Handbremse

AFI-Barometer

Zu Jahresauftakt 2024 ist die Stimmung unter Südtirols Arbeitnehmer:innen verhalten optimistisch. „Im Vergleich zu vor 12 Monaten haben sich alle sieben Indikatoren verbessert. Dazu muss man allerdings sagen, dass einige davon ihren historischen Tiefststand erreicht hatten“, merkt AFI-Direktor Stefan Perini an. Wenngleich sich auch 2024 für Südtirols Wirtschaft ein moderates Wachstum ankündigt, schrillen im AFI mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen am Kreditmarkt die Alarmglocken. „Die Kreditdynamik hat in der zweiten Jahreshälfte 2023 deutlich nachgelassen. Im November 2023 lag das Kreditvolumen 2,3% unter dem Wert von vor 12 Monaten, bei den größeren Unternehmen beträgt der Rückgang gar 6,4%.“

Zum Jahresauftakt 2024 bleiben die Wachstumsaussichten für den Euro-Raum verhalten. Die Inflation ist2023 schneller zurückgegangen als erwartet. Die Arbeitslosenraten sind in allen wichtigen EU-Ländern rückläufig. Mit dem AI-Act, der Reform des Stabilitätspakts und -erst kürzlich- der Entscheidung für weitere Militärhilfen für die Ukraine konnte die EU wichtige Meilensteine setzen. Auf sich warten lässt hingegen die Zinswende der Europäischen Zentralbank. Aus heutiger Sicht ist absehbar, dass diese Mitte 2024 eingeleitet wird. Schleppende Konjunktur und hohe Finanzierungskosten sind die Hauptursache, weshalb aktuell die Investitionstätigkeit kraftlos bleibt. Mögliche Abwärtsrisiken für die wirtschaftliche Entwicklung könnten die neuen geopolitischen Spannungen im Nahen Osten (Israel-Palästina, Huthi-Rebellen), die schleppende Konjunktur in Deutschland, die zunehmende Schärfe von (Bauern-)Protesten sein. Der Internationale Währungsfonds weist in seiner Januarprognose für 2024 folgenden Wachstumsraten aus: Euroraum +0,9%, Deutschland +0,5%, Italien +0,7%.

DIE ECKDATEN: 2023 war für Südtirols Wirtschaft überwiegend positiv

Einige Daten sind schon für das ganze Jahr 2023 verfügbar, andere decken einen Großteil des vergangenen Jahres ab. Dies alles erlaubt es, eine erste vorläufige Endbilanz für 2023 zu ziehen. Der solide Arbeitsmarkt bleibt eines der wichtigsten Punkte auf der Habenseite der Südtiroler Wirtschaft: Rekorde zu vermelden gibt es mit Blick auf die Erwerbstätigenquote (75,7%), die Arbeitslosenrate (1,6%), die Zahl an lohnabhängig Beschäftigten (226.310 im Jahresschnitt, die Zunahme auf Jahresbasis  beträgt 2,2%). Auch Touristikern wird das Jahr 2023 positiv in Erinnerung bleiben (Nächtigungsplus von 4,9% zum Vorjahr – es fehlt allerdings noch der Monat Dezember). Auch in Bozen ging die Inflation 2023 stark zurück, nämlich von 10,4% im Jänner auf 1,6% im Dezember, was eine durchschnittliche Jahresinflationsrate von 5,9% ergibt.

Alarmsignale sendet der Kreditmarkt . Die Daten der italienischen Nationalbank (Banca d’Italia) belegen in der zweiten Jahreshälfte ein deutliches Einbremsen des Kreditvolumens. Der letzte verfügbare Wert (Stand: 30.11.2023) zeigt im 12-Monats-Vergleich einen Rückgang des Kreditvolumens um 4,1%. Während die Kreditvergabe an Privathaushalte nur leicht zurückgegangen ist(-1,1%), ist jene an Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeiter regelrecht eingebrochen (-6,4%). Die konjunkturelle Abschwächung macht sich nicht nur auf dem Kreditmarkt, sondern auch im Außenhandel bemerkbar. Im 3. Quartal 2023 sind sowohl die Exporte als auch Importe zurückgegangen – die 9-Monats-Bilanz bleibt aber dennoch leicht positiv.

DIE STIMMUNG: Arbeitnehmer:innen verhalten optimistisch

Südtirol Arbeitnehmer:innen blicken verhalten optimistisch dem Jahr 2024 entgegen. Alle sieben abgefragten Indikatoren zeigen im Vergleich zu 12 Monaten vorher eine Verbesserung. Hier ist allerdings anzumerken, dass gleich drei davon (die Fähigkeit mit dem Lohn über die Runden zu kommen, Sparmöglichkeiten, die finanzielle Situation der Familie) letztes Jahr auf ein sehr tiefes Niveau abgesackt waren. „Das bedeutet, dass wir bei weiten nicht von einer Top-Stimmung sprechen können, sondern eher von einer Normalisierung“, präzisiert AFI-Forschungsmitarbeiterin Maria Elena Iarossi.

Auffallend ist, dass gerade die eben genannten Indikatoren, welche alle die wirtschaftliche Situation der Familie abbilden, eine Verbesserung aufzeigen. Das führt das AFI auf die sinkenden Energiekosten und die stark rückläufige Inflation im Allgemeinen zurück.

Das Risiko, den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren, bleibt auch in der Winterbefragung so gut wie nicht vorhanden. Die Perspektiven für Arbeitnehmer:innen, einen gleichwertigen Job zu finden, werden wieder besser.

DIE AUSSICHTEN: Auch 2024 moderates Wachstum für Südtirols Wirtschaft

Diverse Rahmenbedingungen bleiben für die Südtiroler Wirtschaft 2024 günstig: ein leichtes Wirtschaftswachstum in den Haupt-Referenzländern Deutschland und Italien, eine neue Landesregierung nach Monaten der politischen Stagnation, ein solider Arbeitsmarkt und die Vollbeschäftigung sowie eine Inflationsrate, die inzwischen auf den EU-Referenzwert gesunken ist.

Die Wachstumsimpulse, die 2024 für die Südtiroler Wirtschaft vom Ausland kommen, dürften allerdings moderat bleiben, womit mit einem geringeren Außenhandelsbeitrag zu rechnen ist. Des Weiteren hemmen die hohen Finanzierungskosten die Investitionstätigkeit von Unternehmen und Privatpersonen immer stärker. Schließlich besteht auf mittlere Sicht die berechtigte Sorge, dass eine überzogene Lohnzurückhaltung von Seiten der Arbeitgeber die Wettbewerbsposition Südtirols im europaweiten Fachkräftewettbewerb verschlechtert.

Für 2024 prognostiziert das AFI ein Wirtschaftswachstum für die Südtiroler Wirtschaft von +1,0%. Verglichen mit den Prognosen der Südtiroler Partnerinstituten nimmt die AFI-Prognose eine Mittelposition ein (ASTAT: +1,1%; WIFO: +0,8).

 

Zur Pressemitteilung

Grafik 1

Grafik 2

 

Das AFI-Barometer wird viermal im Jahr erhoben (Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter) und gibt das Stimmungsbild der Südtiroler Arbeitnehmerschaft wieder. Die Erhebung erfolgt über eine telefonische Umfrage bei 500 Südtiroler Arbeitnehmer:innen und ist für Südtirol repräsentativ. Die nächsten Umfrageergebnisse werden in der zweiten April-Hälfte 2024 vorgestellt.

Nähere Informationen erteilen AFI-Direktor Stefan Perini (T. 0471 41 88 30, M. 349 833 40 65, stefan.perini@afi-ipl.org) oder AFI-Forscherin Maria Elena Iarossi (T. 0471 41 88 40, maria-elena.iarossi@afi-ipl.org).

AFI Barometer | AFI News | AFI Pressemitteilung |

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner