21. August 2016

Die unerträgliche Leichtigkeit des Neins

Stefan Perini ("Wirtschaft Quer")

Mit dem Nein zum Flughafen Bozen erschließen sich für Südtirols Mobilität neue Wege. Mit einer Leichtigkeit, welche für die Flughafen-Befürworter schier unerträglich sein muss.

Landeshauptmann Arno Kompatscher war kohärent: „Der Volksentscheid zum Flughafen werde eins zu eins umgesetzt“. Vorbei die letzte Hoffnung jener, die mit Berufung auf die Geschichte ihn daran erinnern wollten, dass ein Volk auch irren könne.

Keine sechs Wochen nach dem Referendum findet auf Schloss Prösels eine hochkarätig besetzte Tagung statt: „Zukunft Alpen – Bahnbrechende Ideen für die Mobilität“. Die SAD AG stellt ihre Visionen zum Nahverkehr in Südtirol vor. Ohne Umschweife erläutert Ingemar Gatterer,  der dynamische neue Mehrheitseigentümer der Gesellschaft, dass der Ausgang des Flughafen-Referendums neue Chancen eröffne. Mit der Fertigstellung des Brennerbasistunnels im Jahr 2026 werde Südtirol in eine neue Dimension der Mobilität vorstoßen: 100 Millionen Menschen werden Südtirol mit der Bahn in nur wenigen Stunden erreichen: von Paris werden es 7, von Berlin 6, von Wien 3 und von München 2 sein. Seine Gesellschaft wolle sich der Herausforderung stellen und mit innovativen Verkehrslösungen Südtirols Position stärken. Das Projekt Dolomiten-Bahn etwa, eine Eisenbahnverbindung zwischen Bozen und Cortina. Projektleiter Helmuth Moroder sprach begeistert von der „schönsten Bahn der Welt“. Im Gespräch sind auch die Überetscher Bahn, die Grödner Bahn, die Verbindungen Toblach-Cortina, Mals-Graubünden und Mals-Landeck. Allesamt Projekte, die nicht nur Wirtschaftsvertreter wie Christof Oberrauch und Manfred Pinzger,  sondern auch Köpfe wie Reinhold Messner und Hanspeter Dissinger, den Vorsitzenden des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz, überzeugen.

Kritiker meinen, die Tagung sei in erster Linie eine wirksame Inszenierung der SAD AG gewesen. Sie sollte über das wahre Ziel der SAD AG hinwegtäuschen und das sei die Übernahme aller Konzessionen für die öffentlichen Busdienste und den Schienenverkehr in Südtirol. Ein privater Monopolist würde aufkommen.

Was mich persönlich beeindruckt, ist etwas anderes: Wie schnell sich neue Wege auftun, sind einmal alte versperrt. Eine Parallele? Das „Ja“ zum Atomausstieg war die Voraussetzung, damit sich in Deutschland der Sektor der erneuerbaren Energien entfalten konnte. Vor zwei Monaten noch Feuer und Flamme für einen öffentlich finanzierten Flughafen, finden sich nun gar einige mit Ingemar Gatterer wieder, der sich in der Tageszeitung vom 29. Juli so zitieren lässt: „Ein Flughafen für mittlere Strecken verliert ohnehin an Attraktivität. Die Zukunft gehört den Hochgeschwindigkeitszügen“.

Späte Einsicht ist besser als keine.

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Dieser Artikel erschien erstmals in der „Neuen Südtiroler Tageszeitung“ vom 20./21. August 2016

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