08. Januar 2016

Eine Ballonfahrt über das Jahr 2016

von Stefan Perini, Direktor AFI | Arbeitsförderungsinstitut

Was sich 2016 zugetragen hat? Die Südtiroler Wirtschaft konnte sich über eine weitere Verbesserung der Rahmenbedingungen freuen. Die Lohnverhandlungen wurden auf breiter Basis wieder aufgenommen. Im Land spricht man über Ungleichheit und soziale Durchlässigkeit.

Es ist der 31. Dezember 2016. Steigen Sie mit mir ein auf eine Ballonfahrt über das abgelaufene Jahr.

In Europa ist die Wirtschaft auf Erholungskurs, auch wenn das Wirtschaftswachstum von 1 ½ Prozentpunkten nur mäßig ausfällt. Etwas schwerer hat es Österreich, dessen Konjunkturmotor zunehmend ins Stottern geraten ist. Das Zinsniveau in Europa ist über das ganze Jahr unverändert niedrig geblieben. Der Zinssatz ist so gut wie ausradiert. Volkswirtschaftlich schlecht, weil der Zins durch die Nullzinspolitik seine Kontrollfunktion verloren hat, nämlich zwischen rentablen und unrentablen Vorhaben zu unterscheiden. Die immer noch schleppende Erholung der Weltkonjunktur und das nach wie vor gegebene Risiko einer Deflation haben es auch 2016 nicht zugelassen, die Leitzinsen anzuheben, wie das etwa von den USA schon vor einem Jahr vollzogen wurde.

Niedriger Rohölpreis dämpft Konjunktur

Auch der Rohölpreis an den Börsen ist niedrig geblieben. Mit Folgen. Auf der Angebotsseite bildete sich kein Preisdruck. Gut für die Unternehmen, die so ihre Produktionskosten niedrig halten konnten. Weniger gut für die Volkswirtschaften im Euroraum, die mit Inflationsraten weit unter der Zielmarke von 2% weiterhin unter einer schwachen Preisdynamik leiden. Der niedrige Rohölpreis belastete außerdem die Konjunktur jener Schwellenländer, die auf den Export des schwarzen Goldes angewiesen sind und wirkte sich so negativ auf den Welthandel aus.

EU schwenkt auf Investitionspolitik um

In Europa hat sich im Jahr 2016 die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Quantitative-Easing-Politik nicht wirklich erfolgreich war. Entsprechend schwenkte die EU im Laufe des Jahres langsam auf eine Investitionspolitik um. Ausgaben in strategischen Bereichen wie Sicherheit, Forschung, Innovation, Infrastrukturen und Bildung wurden von der jährlichen Neuverschuldungsgrenze ausgeklammert, die als Maastricht-Parameter gilt. Eine Weichenstellung, die mitbestimmend war, um Italiens Wirtschaft 2016 auf Wachstumskurs zu bringen. Und indirekt ein Erfolg für Ministerpräsident Matteo Renzi, der schon im Dezember 2015 eine Abkehr von einer zu stark deutsch geprägten Geldpolitik gefordert hatte.

Flüchtlingsproblem rückläufig

Im Jahr 2016 haben sich auch die Flüchtlingsströme allmählich abgeschwächt. Grund dafür war das entschiedene militärische Eingreifen von USA und Russland mit dem Ziel, das Terrornetz des IS auszuschalten und die Lage im Nahen Osten zu stabilisieren. Im Unterschied dazu konnte sich die EU auch im Jahr 2016 nicht auf eine Interventionspolitik einigen. Das Problem wurde gewissermaßen ausgesessen – mit Erfolg. Man spricht bereits von der ersten Flüchtlings-Rückkehrwelle.

Ein mutiges Gesetz zeigt Wirkung

Auch in Südtirol hat sich in diesem Jahr einiges getan. Pünktlich mit 1. Jänner 2016 war das Vergabegesetz in Kraft getreten. Ein mutiges und innovatives Gesetz, das zunächst etwas schwer in den Kontext einzureihen war. Die Vergabestellen der öffentlichen Hand sahen sich mit der Situation konfrontiert, EU-Richtlinien, Landesgesetze und nationale Regelungen in Kombination betrachten zu müssen. Erst ein von der AOV (Agentur für Öffentliche Verfahren) ausgearbeiteter Leitfaden und zahlreiche Informationsveranstaltungen brachten die notwendige Klarheit, wie mit den neuen Regeln umzugehen sei.

Erfolgreiche Landesgesellschaften

Zwei große Baustellen aus dem Vorjahr wurden 2016 erfolgreich fertig gestellt. Die mit dem unglücklichen Namen gegründete Landesgesellschaft IDM wurde in einem zweiten Moment auf „Business Südtirol Alto Adige“ umgetauft und startete pünktlich. Die Vereinheitlichung der Kollektivverträge des Personals und der Umstieg auf eine einzige Verwaltungssoftware gestalteten sich allerdings schwieriger als anfänglich gedacht. Mit der neuen Energiegesellschaft Alperia ist im Jahr 2016 endlich Klarheit in Südtirols Energiewirtschaft eingekehrt – eine Ruhe, der nur die Medien nachtrauern. Weitsichtig war die Entscheidung der Landesregierung, jene Planungssicherheit weiterzugeben, welche sie selbst durch das Mailänder Abkommen gewonnen hatte: Mit per Gesetz eingeräumter Grundfinanzierungen und mit Leistungsvereinbarungen können nun auch die vom Land abhängigen Körperschaften, die ehrenamtlichen Organisationen und Weiterbildungseinrichtungen für einen Dreijahreszeitraum planen.

Höhere Beamtenlöhne sind Motor

Die Lohnverhandlungen im öffentlichen Dienst haben zwar nicht die volle Angleichung der Gehälter an die gestiegenen Lebenshaltungskosten gebracht, wie von gewerkschaftlicher Seite gefordert, aber immerhin hat man sich auf die goldene Mitte geeinigt. Die Mehrausgabe für den Landeshaushalt in der Höhe von 88 Mio. € pro Jahr hatte aber positive Nebenwirkungen. Weil Löhne im öffentlichen Dienst eine Richtwert-Funktion haben, wurden in der Privatwirtschaft die Lohnverhandlungen wieder entschieden angestoßen. Wie Experten schon vorgerechnet hatten, ist dann die Belastung für die öffentlichen Budgets unterm Strich deutlich niedriger ausgefallen. Denn zum einen hat die zusätzlich geschaffene Kaufkraft Steuern fließen lassen und zum anderen konnte der Anstieg des Primäreinkommens die Zahl der Armutsgefährdeten nach unten treiben. So wurden soziale Transferleistungen eingespart.

Aus Sparschwein wird Haus

Ein schwieriges Jahr war 2016 für Südtirols Sparer: Bei Bank- und Kontokorrenteinlagen wurde der nominelle Zinssatz auf null gesetzt – inflationsbereinigt war er sogar negativ. Die Bereitschaft für risikoreichere Anlageformen wuchs und wer etwas Geld auf der hohen Kante hatte, sah es im Erwerb bzw. in der Sanierung einer Immobilie besonders gut angelegt. Positiv für die Südtiroler Bauwirtschaft, die so ihre Krise endgültig überwinden konnte.

Kompatschers Halbzeitbilanz

Zur Mitte des Jahres 2016 hatte Landeshauptmann Arno Kompatscher eine Halbzeit-Bilanz dieser Legislatur präsentiert, die von den meisten als durchaus beachtlich beurteilt wurde. Und es sind zwei für Südtirol wichtige Themen in die politischen Agenden aufgenommen worden: Im Land spricht man jetzt über Ungleichheit und soziale Durchlässigkeit. Nicht nur, aber auch, weil das AFI in diesem Jahr 2016 zwei Tagungen dazu veranstaltet hatte.

 

Dieses Essay ist zum Jahreswechsel erstmals in der Neuen Südtiroler Tageszeitung erschienen.

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