27. Juni 2022

Kosmetische Eingriffe überzeugen nicht

Foto: Pixabay

Sozialer Wohnbau

Negativ – so fiel die Bewertung des AFI-Arbeitstisches zum Ursprungstext des Landesgesetzentwurfs „Öffentlicher und sozialer Wohnbau“ aus. Negativ – so bleibt die Bewertung auch nach Überarbeitung und Genehmigung durch den IV. Gesetzgebungsausschuss. Dazu AFI-Direktor Stefan Perini: „In der neuen Textfassung finden wir gleich mehreres: sehr viel Kosmetik, einen groben Schnitzer, ein trojanisches Pferd. Vor allem aber bleibt das Gesetz ein Freibrief für die zuständige Landesrätin, tun und lassen zu können, was sie will.“

Es geht um den Landes-Gesetzentwurf „Öffentlicher und sozialer Wohnbau“, der in der zweiten Hälfte dieser Woche im Südtiroler Landtag behandelt werden soll. Ein fünftes Mal hat sich der eigens dafür eingerichtete AFI-Arbeitstisch jüngst (23. Juni 2022) getroffen, um die Änderungen, die der IV. Gesetzgebungsausschuss vorgenommen und genehmigt hat, zu begutachten.

Die Teilnehmenden haben feststellen müssen, dass keiner der Vorschläge, die im entsprechenden AFI-Dokument angeführt sind („Landesgesetzesentwurf öffentlicher und sozialer Wohnbau. Eine Bewertung in 11 Punkten“), in die neue Textfassung eingebaut wurden. „Negativ fiel die Bewertung der Fachexperten für den Ursprungstext aus, negativ bleibt sie auch weiterhin“, informiert AFI-Direktor Stefan Perini. Was sich der AFI-Arbeitstisch erwartet hätte, ist offiziell bei den zuständigen Stellen deponiert worden und ist auch an die Öffentlichkeit gelangt (siehe Anlage), doch nachstehend nochmal in Kürze:

Was der AFI-Arbeitstisch möchte

Die Gesetze ‚Raum und Landschaft‘, ‚Öffentlicher und sozialer Wohnbau‘ und ‚Geförderter Wohnbau‘ müssen wie aus einem Guss geschrieben und optimal aufeinander abgestimmt sein. Grundsatzentscheidungen gehören ins Gesetz, die Feinregelung kann mit Durchführungsverordnung geregelt werden. Der Landesgesetzentwurf ist nach wie vor zu wenig Gesetz und zu viel Durchführungsverordnung. Die Ziele des öffentlichen und sozialen Wohnbaus müssen an Zielmarken gebunden werden, um in der Evaluationsphase den Grad der Zielerreichung ermitteln zu können. Was die befristete Zuweisung von WOBI-Wohnungen anbelangt, herrscht große Skepsis, sowohl inhaltlich als auch bei der praktischen Umsetzung. Die Experten unterstützen die Absicht, das WOBI aufzuwerten und es zu erneuern, sehen gleichzeitig aber die Gefahr, das Institut mit neuen Aufgaben zu überfrachten. Die neuen Zielgruppen dürften nicht den sozial Schwächeren die Sozialwohnungen streitig machen. Das Berechnungsmodell für den Landesmietzins (der als Grundlage sowohl für den sozialen als auch für den leistbaren Mietzins fungieren soll) muss zusammen mit den Sozialpartnern erarbeitet werden. Mit Blick auf die Ranglisten wünscht man sich keine Tricks, um die Zahl der Anspruchsberechtigten einer Sozialwohnung zu verringern und kein diskriminierendes Punktesystem. Hier sind grundlegende Überarbeitungen notwendig. Wesentliche Einrichtungen sind bereits im Landesgesetz zu erwähnen und ihre Rolle ist dort zu verankern. Die Übertragung von Sozialwohnungen an die Kinder von Anspruchsberechtigten soll nur unter spezifischen Voraussetzungen möglich sein.

Was die neue Fassung beinhaltet

Die neue Fassung beinhaltet zunächst sehr viele kosmetische Eingriffe, beispielsweise den Verweis auf die Grundsätze der Nachhaltigkeit. Die bloße „Anhörung“ der Sozialpartner in der Ausarbeitung einiger Durchführungsbestimmungen sei zu wenig – so die Teilnehmenden am AFI-Arbeitstisch – gefordert habe man eine echte Mitsprache, insbesondere in der Ausarbeitung des Gesetzesrahmens.

Das Problem der Nicht-Erkennbarkeit einer Gesamtphilosophie hinter den Gesetzen und der Abstimmung der Gesetze untereinander sei präsenter denn je (z.B. muss man erst das Gesetz zum geförderten Wohnbau abwarten, um zu verstehen, wie die Festsetzung des sozialen und des Landesmietzinses bzw. die territoriale Differenzierung zwischen Gemeinden erfolgen wird – im Wesentlichen ist es momentan ein Sprung ins Leere).

Bestimmte Fragen bleiben ungeklärt, wie z.B. wer den Wohnungsbedarf erhebt. Vor allem aber ist der explizite Verweis auf den ethnischen Proporz vor dem Hintergrund der heutigen Gesellschaft in Südtirol anachronistisch. Die Zuweisung müsse rein nach dem Bedarfskriterium erfolgen – eine vielfach ad-hoc ausgefüllte Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung sei hier fehl am Platz. Die Perspektive, dass eine Gewerkschaft in Zukunft in den WOBI-Verwaltungsrat berufen wird, ist positiv, um zeitnah vollständige Informationen zu erhalten, birgt gleichzeitig aber auch das Risiko, in einer Dreier-Konstellation von WOBI-Präsidenten und Vizepräsidenten „vorgefertigte“ Entscheidungen mittragen zu müssen. In diesem Fall wäre es das klassische trojanische Pferd.

Der AFI-Arbeitstisch

Am AFI-Arbeitstisch „Öffentlicher und sozialer Wohnbau“ arbeiten mit: Donatella Califano (SGBCISL), Alexander Pancheri (SGBCISL), Doriana Pavanello (CGIL/AGB), Maurizio Surian (CGIL/AGB & Mieterschutz), Josef Lazzari (CGIL/AGB), Christian Troger (UIL-SGK), Dodo Detassis (UIL-SGK), Tony Tschenett (ASGB), Andreas Dorigoni (ASGB), Herbert Schatzer (KVW), Leo Resch (KVW Arche), Luciano Nervo (ACLI). Koordiniert werden die Arbeiten von AFI-Direktor Stefan Perini.

Nähere Informationen erteilt AFI-Direktor Stefan Perini (T. 349 833 40 65, stefan.perini@afi-ipl.org).

AFI Pressemitteilung | Wohnen

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