25. März 2018

Wem gehört der Wertzuwachs?

Stefan Perini ("Wirtschaft Quer")

Wer soll von der Wertsteigerung bei Umwidmung in Bauland profitieren? Man kann das Glas halb leer sehen wie SWR und Handelskammer, oder halb voll wie das AFI.

Beim Gesetz Raum und Landschaft ist das letzte Wort noch lange nicht gesprochen. Aktuell geht der Streit um den Wertzuwachs bei einer Umwidmung. Man kann das Glas halb leer sehen, wie es Südtiroler Wirtschaftsring und Handelskammer tun. Greifen wir das Beispiel auf, das die Handelskammer vorgebracht hat: Ein Bauer will ein 2.500 m2-Grundstück veräußern. Als landwirtschaftliches Grün ist es 20 € pro m2 wert, also insgesamt 50.000 €. Die Wiese soll nun in Baugrund umgewidmet werden. Dadurch steigt der Verkaufswert auf 300 € pro m2. Das beschert dem Landwirt eine potentielle Einnahme von 750.000 €. Wie die Handelskammer vorrechnet, würden dem Landwirt nach Abtretung der im Gesetzesentwurf vorgesehenen 30% des Wertausgleichs und dem Abzug sämtlicher Steuern und Gebühren „nur“ 208.000 € netto bleiben. Armer Bauer also.

Man kann das Glas aber auch halb voll sehen wie das AFI in seiner Studie getan, die seit rund einem halben Jahr aufliegt. Die wenigsten werfen die grundsätzliche Frage auf, warum eine Gemeinde für eine Wiese mit einem Quadratmeterpreis von 20 € sehr viel mehr als das bezahlen sollte.

Wäre es volkswirtschaftlich nicht zielführender, die Wiese als solche zu einem vernünftigen Preis abzulösen – meinetwegen auch zu 40 € pro m2 – und erst danach die Umwidmung in Bauland vorzunehmen, um dann das Grundstück zum Selbstkostenpreis an die Nutznießer abzutreten? Die

Annahme, dem Eigentümer würde kraft Umwidmung ein Anspruch auf den Wertzuwachs entspringen, ist von Grund auf falsch. Bei der Umwidmung handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der im öffentlichen Interesse durchgeführt wird. Im Klartext: Kein öffentliches Interesse – keine Umwidmung – kein Wertzuwachs.

„Umwidmungen den Charakter eines Lotteriegewinns nehmen“

Die öffentliche Hand hat also nicht nur die Hoheit, sondern auch vollständige Steuerungsmöglichkeit, ob und was sie wann umwidmen will. Dabei darf sie sowieso in Zukunft gemäß dem Prinzip „Grau vor Grün“ nur Baugründe ausweisen, wenn ein nachweislicher Bedarf dafür besteht. Gehen wir also von vernünftigen Gemeindevertretern aus, die dem Landwirt die Wiese zu 40 € pro m2 ablösen. Der Landwirt hätte eine Rendite von 100%. Die Gemeinde könnte das Grundstück in Baugrund umwidmen und nahe am Selbstkostenpreis für den Bau von Erstwohnungen weitergeben.

Leistbares Wohnen wäre geboren. Im Beispiel, das die Handelskammer anführt, hätte der Bauer eine Netto-Rendite von über 300% (von 50.000 € auf 208.000 €), allein durch einen Verwaltungsakt. Solche Lotteriegewinne würden sich auch Südtirols Arbeitnehmer wünschen.

Zuerst veröffentlicht in „Die Neue Südtiroler Tageszeitung“ vom 24. März 2018

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