02 Aprile 2017

Zauberwort Flexibilität

Stefan Perini ("Wirtschaft Quer")

Arbeitgeber- wie Arbeitnehmervertretungen wollen Flexibilität – und meinen dabei genau das Entgegengesetzte.

Flexibilität: Ein Wort, zwei Bedeutungen. So könnte man wohl den Kampf umschreiben, den sich Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen seit einiger Zeit liefern. Die Umfrage zu den Arbeitsbedingungen, die das AFI gemacht und jüngst vorgestellt hat, zeigt einmal mehr ganz deutlich, wie vorsichtig man mit diesem Begriff umgehen muss.

Auf der einen Seite stehen die Arbeitnehmer. Zeit- und Leistungsdruck, Arbeitsverdichtung und schwer planbare Arbeitszeiten belasten Arbeitnehmer sehr, das belegen Studien. Darüber hinaus stellt die arbeitnehmernahe Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf fest, dass die Arbeitszeiten in Deutschland kürzer, heterogener und flexibler geworden sind – allerdings nicht immer zum Wohle der Beschäftigten. Sie ruft dazu auf, vom Arbeitnehmer bestimmte, frei gestaltbare Arbeitszeiten stärker in den Tarifverträgen zu verankern. Auch sollten Beschäftigte ihre Arbeitszeit an ihre jeweilige Lebensphase anpassen dürfen.

Flexibilität fordert auch die Arbeitgeberseite – aus einem ganz anderen Blickwinkel. Flexibilität ist hier die sofortige Einsatzbereitschaft bei Produktionsspitzen, das kurzfristige Einspringen bei Personalausfällen und Arbeit auf Abruf, beispielsweise am Wochenende. Der harte Wettbewerb um die Kunden und die Schnelllebigkeit des Marktes im Allgemeinen würden dies zwingend erfordern.

Will heißen: Das Wort Flexibilität lässt sich in beide Richtungen dehnen. Zentral ist, wer die Deutungshoheit hat. Wer über die Flexibilität bestimmen kann, der wird ihr Positives abgewinnen. Die andere Seite wird sie „erdulden“ müssen.

Prima pubblicato in “Die Neue Südtiroler Tageszeitung”, edizione del 01-04-2017

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