21. November 2015

Des einen Leid

von Stefan Perini ("Wirtschaft Quer")

Zu den vielen Folgen des IS-Terrors gehören veränderten Reiseentscheidungen von Urlaubern und Umwälzungen in den internationalen Handelsbeziehungen. Für Südtirol sind es voraussichtlich wieder einmal keine schmerzlichen.

Das Blutbad von Paris und der Absturz des russischen Ferienfliegers über Sinai haben unschuldige Menschen getroffen, und wir sind bei ihnen. Die Folgen des tückischen IS-Terrors sind weitreichend, auch in der Wirtschaft. Zweifelsfrei beeinflusst der Terror die Kauf- und Freizeitentscheidungen der Menschen und somit auch die internationalen Handelsbeziehungen. Wie so oft im Leben gilt auch hier: Des einen Leid ist des anderen Glück.

Gerade als Europa von den Terroranschlägen in Paris erschüttert wird, fällt der Euro auf ein neues Tief von 1,06 im Vergleich zum US-Dollar. Analysten spekulieren bereits, wie lange es noch dauern wird, bis die vollständige Parität von Euro und US-Dollar erreicht ist. Dennoch ist die Talfahrt des Euro nicht eine Folge der jüngsten Terroranschläge.

Bei genauerer Betrachtung sieht man, dass bei der Einheitswährung lediglich jene Abschwächung weiter geht, die bereits vor einigen Wochen eingesetzt hat. In den USA rechnet man damit, dass die Federal Reserve erstmals nach langer Zeit die Leitzinsen anhebt. Im Euro Raum hingegen geht man davon aus, dass die europäische Zentralbank die Geldzügel weiterhin locker hält. Diese gegensätzlichen Richtungen der beiden wichtigsten Zentralbanken der Welt schlagen sich in der Zinsentwicklung nieder und diese wiederum beeinflusst den Wechselkurs zwischen Euro und US-Dollar. Gleichzeitig ist Rohöl so billig wie selten. Nordseeöl der Sorte Brent quotiert in den letzten Tagen unter 44 US-Dollar das Barrel. Die Fördermengen übersteigen die eingebremste Nachfrage. Hier macht sich die geringere Flug- und Reisebereitschaft als Folge der Furcht vor weiteren Terroranschlägen bemerkbar.

Für Südtirols Wirtschaft dürften die neuen Entwicklungen auf den Weltmärkten eher günstig sein. Der schwache Euro begünstigt das Exportgeschäft. Die niedrigen Zinsen beleben weiterhin neue Investitionen. Niedrige Rohstoffpreise entlasten die Unternehmen bei den Kosten und schaufeln Gewinne frei, die über Lohnerhöhungen und Betriebsprämien zu einem guten Teil an die Belegschaft weitergegeben werden können.

Einen großen Schub dürfte vor allem der Südtiroler Tourismus erleben. Weil Flug- und Städtereisen jetzt gemieden werden, werden viele Urlauber andere Verkehrsmittel und nähere Ziele wählen, wie eben Südtirol. Es klingt pietätlos, aber man muss es als kommende Tatsache sehen: Diesen Winter dürfte Südtirol ein Gästezustrom erwarten, wie es ihn lange nicht mehr gegeben hat.

 

Dieser Beitrag ist in Stefan Perinis samstäglicher Rubrik „Wirtschaft Quer“ in der Printausgabe der „Neuen Südtiroler Tageszeitung“ erstmals erschienen.

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