Die Ernüchterung
Die als „Jobs Act“ bekannte Arbeitsmarktreform in Italien zeigte einige Monate lang Wirkung. Nun, knapp 1 ½ Jahre später, fällt die Bilanz wesentlich bescheidener aus. Nicht nur in Italien, auch in Südtirol.
Ministerpräsident Matteo Renzi versteht es wie kein Zweiter, Zahlen als politische Erfolge zu verkaufen. Die vom nationalen Fürsorgeinstitut INPS im Laufe von 2015 veröffentlichten positiven Zahlen, was die Umwandlung von atypischen Arbeitsformen in unbefristete Arbeitsverhältnisse betrifft, sah er als Bestätigung für seinen politischen Kurs. Auch in Südtirol waren die Zahlen anfangs recht erfreulich. In einer im November 2015 erschienenen ersten Bilanz über die Auswirkungen des Jobs Act wird aufgezeigt, dass tatsächlich im Jahresverlauf eine große Anzahl befristeter Arbeitsverhältnisse von unbefristeten Arbeitsverhältnissen mit zunehmendem Schutz ersetzt wurden. In der Summe wurden im Jahr 2015 8.650 zusätzliche unbefristete Arbeitsverträge abgeschlossen. Wissenswert auch: Diese deutliche Zunahme von unbefristeten Verträgen entfiel zu einem Drittel (+2.700) allein auf den Dezember 2015. Das war der letzte Monat, in dem die Arbeitgeber von der vollständigen Beitragsbefreiung bis zu einer jährlichen Obergrenze von 8.060 €, und zwar ganze 36 Monate lang, profitieren konnten, im Gegensatz zu den reduzierten Zuschüssen ab Januar 2016, die nur in Höhe von 40%, bis zu einer jährlichen Obergrenze von 3.250 € und nur für 24 Monate gewährt werden.
Die zweite Analyse, die von den Kollegen im Amt für Arbeitsmarktbeobachtung jüngst ausgearbeitet wurde, zeigt ein wesentlich eingetrübteres Bild. In den Monaten Februar bis März 2016 sank die Zahl der Einstellungen und Vertragsumwandlungen auf das Niveau von 2012-2014, lag also deutlich unter jenem im Jahr 2015. Damit sehen sich aus wirtschaftspolitischer Sicht jene bestätigt, die überzeugt sind, dass der Weg, um mehr Jobs zu schaffen, nicht über die Lockerung des Kündigungsschutzes, sondern über die steuerliche Entlastung des Faktors Arbeit führt.
Mit diesem Thema wurde auch INPS-Präsident Tito Boeri konfrontiert. Er war auf Einladung der italienischen Berufsbildung am Mittwoch zu einer Veranstaltung nach Bozen angereist. In der Frage, um wie viele Prozentpunkte der Steuerkeil (Cuneo fiscale) abgesenkt werden müsse, um signifikante Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu generieren, wollte sich Boeri nicht festlegen. Es sei vor allem eine Angelegenheit des Ausgleichs der Öffentlichen Haushalte – sprich, man müsse die Mindereinnahmen für den Staat mit Kürzungen auf der Ausgabenseite kompensieren. Eine Vermögens- oder Erbschaftssteuer, wie sie in Österreich bzw. in Deutschland diskutiert wird, steht in Italien offensichtlich noch nicht im Raum.
Dieser Artikel erschien erstmals in der „Die Neue Südtiroler Tageszeitung“.
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