29. April 2018

Unsichtbarer Deckel

Stefan Perini ("Wirtschaft Quer")

Die Debatte um eine Tourismusobergrenze hat auch Südtirol erfasst. Eliminiert sind ab sofort die Förderungen in touristisch stark entwickelten Gebieten.

Ob Südtirols Wirtschaft der eigene Erfolg zum Verhängnis wird, wie es die Südtiroler Wirtschaftszeitung provozierend formuliert, sei dahingestellt. Fakt ist, dass der Widerstand der einheimischen Bevölkerung wächst, wenn die Perspektiven noch mehr Tourismus, Verkehr, Lärm und Abgase heißen.

Die Landesregierung hat in ihrer letzten Sitzung die Zugangskriterien zum Rotationsfonds und den Förderungen angepasst. Zugang zum Rotationsfonds oder zu den sogenannten „Kapitalbeiträgen“ erhalten in Zukunft lediglich Betriebe, die in touristisch mittelmäßig oder schwach entwickelten Gebieten liegen. In den touristischen Hochburgen möchte die Landesregierung den Tourismus nicht mit Steuermitteln weiter befeuern, erklärte der Landeshauptmann. Dabei differenziere die neue territoriale Abgrenzung nicht nur zwischen Gemeinden, sondern noch detaillierter, auf subkommunaler Ebene.

Fachleute sehen insbesondere in den Spitzen des Südtiroler Tourismus ein Problem- und Handlungsfeld: Der Tourismus sei noch zu stark auf bestimmte Monate konzentriert, während in der Niedersaison noch Entwicklungspotentiale schlummern. Weiter noch: Während der Gästezustrom in einigen Gebieten für die Einheimischen zur regelrechten Plage wird, würden andere Dörfer ruhig etwas mehr Touristen vertragen. Will heißen: Die zeitliche und territoriale Streuung der mehr als 30 Mio. Gäste-Nächtigungen sind die wahre Herausforderung Südtirols.

Die Streichung von Förderungen in den Tourismushochburgen entspricht einer „Deckelung soft“

Der jüngste Beschluss der Landesregierung geht ein stückweit in diese Richtung. Dadurch, dass die finanziellen Anreize in touristisch bereits stark entwickelten Gebieten eliminiert und auf die weniger entwickelten umgeschichtet werden, signalisiert man politischen Willen: „Deckelung soft“ könnte man es nennen. Gleichzeitig erreicht man auf diese Weise, dass die territorialen Unausgewogenheiten in Südtirol abgemildert werden und dass sich strukturschwache Gebiete aus eigener Kraft entwickeln können.

Die touristische Entwicklung Südtirols zur Ganzjahresdestination alias die Ent-Saisonalisierung des Südtiroler Tourismus wäre auch ein Segen für Südtirols Arbeitnehmerschaft, Arbeitsmarkt und Gesellschaft. Saisonsverträge würden verstärkt durch unbefristete ersetzt, der bürokratische Aufwand massenhafter An- und Abmeldungen von Arbeitsverträgen würde wegfallen und die Kosten der arbeitsfreien Monate würden nicht mehr über die Arbeitslosenunterstützung der Gesellschaft angelastet, wie dies heute passiert.

Erstmals veröffentlicht in „Die Neue Südtiroler Tageszeitung“ vom 29. April 2018

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